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„Ein schlechter Start“ für Christophers Nahosttour

■ Der US-Außenminister wird in den arabischen Hauptstädten auf Skepsis treffen

Kairo (taz) – „Wie sieht die Nahostpolitik der neuen US-Regierung aus?“ fragt man sich in den arabischen Hauptstädten schon seit Wochen mit Sorge. Voller Skepsis beobachtet man denn auch die soeben begonnene erste Nahostmission von US-Außenminister Waren Christopher.

Fraglich erschien seit langem, ob die Clinton-Regierung die Region Nahost überhaupt noch auf ihre Prioritätenliste setzt, während alle Welt auf das ehemalige Jugoslawien oder nach Somalia blickt. William Quandt, der ehemalige Assistent des Nationalen Sicherheitsberaters und Mitarbeiter des Brookings Institut, das den Demokraten Clintons nahesteht, beantwortet diese Frage eindeutig mit ja. „Die USA müssen sich mit dem arabisch-israelischen Konflikt befassen, weil ein möglicher Frieden mit US-Hilfe für den amerikanischen Einfluß in der Region und auch gegen mögliche Bedrohungen durch den Iran oder den Irak von Bedeutung wäre“. Daß die erste Reise des neuen US-Außenministers in die Region Nahost führt, hat die Frage nach den Prioritäten der USA jetzt auch für die letzten Zweifler beantwortet.

Da Christopher die Aufgabe hat, die taumelnden Nahostverhandlungen wieder in Gang zu bringen, steckt er schon bei seiner ersten Mission mitten im Schlamassel: „Sagt nein zu Christopher“, lautete eine der Schlagzeilen in der ägyptischen Presse. Immer wieder wird empört auf die Deportation der rund 400 Palästinenser durch Israel und die allzu lasche Reaktion aus Washington verwiesen. Die Regierung Clinton messe ebenso mit zweierlei Maß wie die Regierung Bush, lautet der Vorwurf. Während Washington vom Irak die buchstabengetreue Befolgung der Sicherheitsratbeschlüsse verlange und dies auch mit Gewalt durchzusetzen versuche, habe man mit Israel um die Zahl der Deportierten und um den Zeitpunkt ihrer Rückkehr gefeilscht. „Einen schlechten Start“ bescheinigt einer der Chef-Kommentatoren der ägyptischen Tageszeitung Al-Ahram der Regierung Clinton im Nahen Osten. Die Nahostverhandlungen könne man fürs erste getrost vergessen.

Mit der Bombardierung des Irak, die in der arabischen Presse mit dem Sprichwort „100 Elefanten gegen ein Moskito“ beschrieben wurde, und dem neuen „Kompromiß“ in der Deportiertenfrage haben sich die neuen Herren des Pentagon das Ansehen in den arabischen Staaten gründlich verdorben. Dennoch hofft man, daß Christopher zunächst auf den Spuren seines Vorgängers Baker wandeln wird. Sowohl diejenigen, die besondere Angst vor der proisraelischen Haltung der US-Demokraten hätten, als auch diejenigen, die darauf hofften, daß die schwindende strategische Bedeutung Israels nach dem Wegfall der Sowjetunion in den USA erkannt werde, würden demnächst eines Besseren belehrt, mutmaßt die ägyptische Strategiezeitschrift Internationale Politik. Denn die amerikanisch-israelischen Beziehungen seien von einem Regierungswechsel in den USA noch nie maßgeblich beeinflußt worden.

Viele arabische Kommentatoren haben sich in diesen Tagen darauf verlegt, das neue Team Clintons auf besonders israelfreundliche Personen hin zu untersuchen. So betrachtet gibt es einige starke Anzeichen für Kontinuität, wie zum Beispiel die erneute Nominierung von Edward Djerejian als Vize-Staatssekretär in Sachen Nahost und Südostasien. Und doch sprechen manche politischen Beobachter davon, daß sich in der Personalpolitik des Weißen Hauses die Waagschale zugunsten Israels neige. Der neue US-Verteidigungsminister Les Aspin und der neue CIA-Chef James Woolsey gelten als vorbehaltlose Unterstützer Israels. Die Positionen von Christopher und Anthony Lake, des Beraters des Nationalen Sicherheitrates hingegen werden von arabischer Seite als ausgewogener eingeschätzt. Clinton, so denkt man hier, werde zwischen beiden Strömungen den Schiedsrichter machen.

Doch neben dieser Personal- Astrologie werden auch die konkreten Perspektiven der Nahostverhandlungen jetzt wieder diskutiert. Christopher könne die Verhandlungen nur in Gang bringen, wenn er es schaffte, genug Druck auf die Palästinenser auszuüben, damit sie keine Verbindung zwischen den Deportationen und den Nahostverhandlungen mehr herstellen. Doch nicht nur auf Grund der Deportationen hätten die Palästinenser Grund zur Angst vor zukünftigen Verhandlungen.

Man hat hier genau registriert, daß in US-amerikanischen Kreisen bereits eines ganz offen ausgesprochen wird, obwohl es offiziell noch nicht verlautet ist: Daß man auf einen Durchbruch bei den syrisch-israelischen Gesprächen setzt. William Quandt etwa trennt diese Gespräche vom Problem der palästinensisch-israelischen Verhandlungen, die er für weniger erfolgversprechend hält. Ein separater Friedensvertrag zwischen Israel und Syrien mit der Rückgabe der Golanhöhen an Damaskus habe in nächster Zeit gute Chancen, schreibt er. Die Palästinenser würden in einem solchen Fall im Regen stehen bleiben. Das hätte Ähnlichkeit mit dem Camp-David- Vertrag zwischen Israel und Ägypten. Damals diente Christopher dem demokratischen Präsidenten Carter als Vize-Außenminister. Karim El-Gawhary

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