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Die heißen Geschäfte mit Kaltehofe

■ Hamburger Wasserwerke verscherbeln heimlich Elbinsel an Immobilien-Konzern für lukrative Busineß-City / Macht Umweltsenator Vahrenholt gemeinsame Sache mit Beton-Fraktion? / Stadtplaner von Bezirk...

an Immobilien-Konzern für lukrative Busineß-City/Macht Umweltsenator Vahrenholt gemeinsame Sache mit Beton-Fraktion?/Stadtplaner von Bezirk und Steb außen vor gehalten/Jetzt behördeninterner »runder Tisch«

Sie ist so groß wie der Ohlsdorfer Friedhof oder wie die Hamburger Innenstadt inklusive Binnenalster, vom Stephansplatz bis zu den Deichtor-Hallen — je nachdem, ob man sie sich als Park vorstellen will oder als City: die Elbinsel Kaltehofe, die südöstlich von Rothenburgsort die Billwerder Bucht von der Norderelbe trennt. Bis vor drei Jahren versorgten von dort aus die „Elbwasserwerke“ der Hamburger Wasserwerke (HWW) — die als Konsequenz aus der Cholera-Epidemie um die Jahrhundertwende gebaut wurden — die Hansestadt mit Trinkwasser. Seit 1990 liegt Kaltehofe brach.

Und seither umgibt die Insel „ein großes Geheimnis“. Das mußte erst kürzlich wieder der Geschäftsführer der Hamburgischen Architektenkammer Dr. Ullrich Schwarz erstaunt feststellen: „So etwas habe ich in Hamburg noch nie erlebt.“ Die HWW verboten Schwarz, das kulturhistorisch bedeutsame Eiland zu betreten, als er es für das jährlich erscheinende Hamburger Architektur-Jahrbuch fotografieren wollte.

Wegen seiner citynahen Lage gilt Hamburg-Boomern das 437000 Quadratmeter große Areal, dessen östliches Fünftel Landschaftsschutzgebiet ist, als Sahnestück für kapitalkräftige Geschäftsleute. Wegen seiner Nachbarschaft zum dicht bebauten und problembeladenen Stadtteil Rothenburgsort bietet sich die Elbinsel andererseits als ideales Naherholungs-Revier an. Gedankenspiele für letzteres hatte deshalb nicht nur die Denkfabrik von Peter Illies' Stadtplanungsabteilung im Bezirk Mitte angestellt, sondern auch das Landesplanungsamt, das nun zu Traute Müllers Steb gehört. Doch sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Elbinsel »möglichst teuer versilbern«

Für die HWW ist Kaltehofe vor allem totes Kapital. Das Unternehmen, Teil der HGV (Hamburgische Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung mbH), einer Holding mit 258 Milliarden Mark Stammkapital, operiert chronisch defizitär — sehr zum Mißfallen von HGV-Geschäftsführer und SPD-Fraktions- Chef Günter Elste: „Wir sind an Unternehmen interessiert, die Gewinne machen.“ Schon unter der Ägide des HWW-Aufsichtsratsvorsitzenden Jörg Kuhbier, der aus seiner Zeit als Wirtschaftsakquisiteur und zweiter Senator der Baubehörde beste einschlägige Beziehungen hat, wurden die Weichen lautlos in Richtung „möglichst teuer versilbern“ gestellt. Der Wert des Areals wird heute auf rund 100 Millionen Mark geschätzt.

Der von den HWW schon frühzeitig auserkorene Käufer: die Kommanditgesellschaft Allgemeine Leasing GmbH & Co. Dabei handelt es sich um einen Immobilien-Konzern, in den 1968 die Hamburger Sparkasse einstieg und dort mit ihren Vorständen Dr. Karl-Joachim Dreyer und Werner Matthews im Verwaltungsrat vertreten ist. Die anderen Teilhaber sind die Dresdner Bank, die Bayrische Landesbank, die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank und die Westdeutsche Landesbank.

Hauptgeschäftsgegenstand des verzweigten Firmengeflechts, zu dem unter anderen der Auto-Verleiher SIXT und durch Beteiligung auch die Lufthansa Leasing gehören, ist Planung und Bau von Großprojekten durch die konzerneigene Alba GmbH, die anschließend gewinnbringend verleast und durch Konzern-eigene Gesellschaften betreut werden: Verwaltungsgebäude, Flugzeuge, Energieversorgungsobjekte, Warenhäuser und Einkaufszentren im Wert von 15 Milliarden Mark. Zuwachsrate pro Jahr: fast 20 Prozent. In dieser Größenordnung könnte sich auch das Kaltehofe-Geschäft bewegen.

Eine sogenannte „Anhandgabe“ von Kaltehofe an die Allgemeine Leasing wurde Ende Januar 1991 vereinbart, zunächst bis Januar dieses Jahres befristet und jetzt bis zum 31.Dezember 93 verlängert. Durch diese „Anhandgabe“, eine Art Vorvertrag, den die HWW unter Berufung auf ihre Besitzer- Rechte an allen Behörden und Gremien vorbei tätigten, ist die künftige Verwendung der Elbinsel praktisch festgeschrieben. Die Allgemeine Leasing ist damit nämlich „Projekt-Beauftragter“. Sie erstellt Bau- und Finanzierungsplan und kann die behördlichen Genehmigungen dafür einholen, erklärt HWW-Sprecherin Gisela Matthae. „Die HWW hat sich verpflichtet, währenddessen keinerlei andere Verhandlung über die Verwendung des Grundstücks zu führen, wir fühlen uns an diesen Vertrag natürlich gebunden.“

Schon am 12. September 1991 wartete die Allgemeine Leasing mit einem kompletten Prospekt auf, um in betuchten Kreisen — aber nicht nur dort — Interessenten zu werben. Darin werden vier Versionen für eine hochpreisige Wohn- und Busineß-City inklusive Shopping, Restaurants, Yacht-Marina und einem 200-Betten-Hotel nach Art der Londoner Docks vorgestellt (siehe Kasten). Die offenbar favorisierte Version „Planvariante B“ hat das in mehreren deutschen Großstädten wie auch im Ausland vertretene Frankfurter Architekten- und Ingenieur-Großbüro J.S.K. Perkins&Will, auf dessen Konto auch das gesichtslose Ärgernis Flughafen Frankfurt geht, inzwischen weiter verdichtet.

„Angesichts der Größe und Bedeutung“ des Riesen-Deals gründet die Allgemeine Leasing, so der Plan, dafür „in enger Zusammenarbeit mit den HWW und der Stadt Hamburg“:

— eine Grundstücksgesellschaft, an der sich „kapitalmäßig Kreditinstitute aus dem Gesellschafterkreis sowie Unternehmen beteiligen, zu denen lange Geschäftsbeziehungen bestehen“ — zum Beispiel die Siemens AG, deren Direktor, Dr. Gerhard L. Kluth, auch im Verwaltungsrat des Immobilien-Konzerns sitzt. Mit Geldeinlagen ebenfalls willkommen sind „örtliche Kreditinstitute und Investoren“;

— eine Entwicklungsgesellschaft Kaltehofe, die im Auftrag der Grundstücksgesellschaft das Mammut-Projekt realisiert, vermarktet und danach als Verwalter weiterverdient.

Alle an dem Kaltehofe-Geschäft Beteiligten haben sich auf Stillschweigen eingeschworen und bauen auf die normative Kraft des

1Faktischen. Der helfen sie bisweilen ein wenig nach, indem sie geeignete Indiskretionen zielgerichtet sickern lassen. Jüngstes Beispiel ist das Reklame-Werk der Bild-Zeitung, die Mitte Januar jubelte: „Superplan: ,Klein Venedig‘ mitten in der Elbe — Hamburg bekommt einen neuen Stadtteil, Pläne liegen fix und fertig bei Bürgermeister Voscherau. Wagner und Vahrenholt fordern eine rasche Entscheidung.“

Hinter den Kulissen toben währenddessen die Interessen-Konflikte. Der Bürgermeister von Veddel-Rothenburgsort, Udo Springborn: „Kaltehofe ist ein ganz heißes Thema.“ Er besteht darauf, „daß wegen der intensiven Entwicklung während der letzten Jahre hier über Kaltehofe keine Entscheidung fallen sollte, bevor nicht ein Gesamtkonzept für den Stadtteil vorliegt“. Doch davon ist man so weit entfernt wie eh und je. Es existiert nicht mal ein Bebauungsplan.

Die Stadt soll die Spesen bezahlen

Die für Projekte dieser Art und Größenordnung als „offizielle Schiene“ zuständige Stadtplanungsabteilung des Bezirks Mitte sparten die HWW absichtsvoll aus. Dort interessiert man sich nämlich für so

1lästige Fragen wie die der Kosten aus dem Steuersäckel. Der Stadtplanungs- und amtierende Bauamtsleiter Peter Illies findet das, was die Hansestadt überschlägig allein für Infrastruktur, Lärmschutz und an Folgekosten hinblättern müßte, jedenfalls viel zu viel. Wie teuer zudem die Bodensanierung käme, ist bislang unklar. Daß Kaltehofe teilweise deutlich arsen- und schwermetallverseucht ist, bestätigte der Senat gerade erst dem GAL-Abgeordneten Joachim Schulze-Bergmann auf Anfrage.

Aber auch im „Programmplan“ für Rothenburgsort beim Landesplanungsamt in der Steb, in den mögliche Szenarios für die Elbinsel eigentlich hineingehörten, ist eine „Kaltehofe City“ nicht vorgesehen, im Flächennutzungs- oder im Grün- Landschaftsplan genausowenig.

Die genasführten Behörden blickten lange hoffnungsvoll, aber naiv auf Umweltsenator Dr. Fritz Vahrenholt. Der hatte es verstanden, einen „Volkspark Rothenburgsort“ mit seinem Namen zu verbinden, der aus dem Traunspark, der Halbinsel Entenwerder und — so hieß es wenigstens — Kaltehofe zu schaffen sei.

Arm in Arm mit der gerade erst dafür zuständig gewordenen Stadtentwicklungs-Senatorin Traute

1Müller wollte Vahrenholt das Projekt, das Insider freilich als eher unernsthaften „Schnellschuß“ charakterisierten, Ende Mai letzten

Technisches und ökologisches Denkmal

Jahres bei der groß inszenierten europäischen Fachtagung „Grün in der Stadt“ öffentlich aus der Taufe heben. Das klappte nicht ganz. Vor allem wegen Kaltehofe, wo einst Hamburgs Wasserversorgung ihren Anfang genommen hatte, wurden Proteste aus den Reihen der kompetenten Tagungs-Gäste laut. Der Architekt Professor Rainer Ernst aus Berlin wunderte sich darüber, daß die kulturhistorische Bedeutung des ehemaligen Wasserwerks bei der Verplanung der Elbinsel anscheinend keine Rolle spiele und regte deshalb an, sie als technisches oder ökologisches Denkmal in ihrem jetzigen Zustand zu pflegen und zu erhalten.

Von Kaltehofe als — wie auch immer gestaltetem — Park redet Vahrenholt längst nicht mehr. Wie sollte er auch: Auf gezieltes Nachhaken hatte der Umweltsenator schon damals bestätigen lassen, daß die Elbinsel Kaltehofe bebaut wird. Sozialwohnungen seien sein Wunsch, beteuerte seine Spreche-

1rin Silvia Schwägerl. Und, natürlich, „ausreichend Grün“. Man suche noch nach Kompromissen — Vahrenholt ist Aufsichtsratsvorsitzender der HWW.

Ob die in seinem Sinn ausfallen und auch dem Beton-Kern um Bausenator Eugen Wagner, dem Bezirksfürsten Ingo Kleist und der 6l. SPD-Bürgerschafts-Stimme Reinhard Hinze aus Rothenburgsort, der auch im Stadtentwicklungs- und im Bauausschuß wirkt, zupaß kommen, ist noch unsicher.

Da sogar in Hamburg nun doch nicht alles mit Geheimoperationen gewuppt werden kann, kam im Sommer in der Bürgerschaft die Frage nach der Bautauglichkeit von Kaltehofe auf. Traute Müllers Steb wurde mit der Untersuchung beauftragt. Anfang des Jahres hat sie sämtlichen Behörden ein 20-Seiten- Papier ins Haus geschickt. Sie sollten zu insgesamt elf Kaltehofe-Szenarien Stellung beziehen, die von Insel-Biotop bis Beton-Boom im Wasserwerk reichen. Die Schularbeiten müssen jetzt gemacht sein, denn am 25. Februar geht der Kampf um Kaltehofe in die entscheidende Runde: in der Senatskommission, zusammen mit dem Ersten Bürgermeister. Hinter verschlossenen Türen, natürlich. Ulla Küspert

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