: Signal besserer Ausländerpolitik
Das „Amt für multikulturelle Angelegenheiten“ in Frankfurt: Integration als Gestaltungsaufgabe der Kommunalpolitik ist eine ressortübergreifende Aufgabe ■ Von Rosi Wolf-Almanasreh
1989 beschlossen der rot-grüne Magistrat und die Mehrheit der Stadtverordneten der Stadt Frankfurt am Main die Einrichtung eines „Amtes für multikulturelle Angelegenheiten“. Dies war ein deutliches Signal der Stadtregierung, künftig eine neue und bessere Ausländerpolitik auf kommunaler Ebene zu machen.
In Frankfurt leben derzeit etwa 182.000 BürgerInnen mit fremdem Paß; dies sind 27,55 Prozent der EinwohnerInnen. Nicht gezählt sind diejenigen Menschen anderer kultureller Herkunft, die als Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, Polen und Rumänien in die Stadt kamen (seit 1986 ca. 8.000 Personen), die Personen, die eingebürgert wurden oder als nicht registrierte Arbeitskräfte (ca. 10.000 Menschen) unter uns leben. Aufgrund des Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien kamen zudem ungefähr 9.000 BürgerInnen aus Kroatien und Bosnien nach Frankfurt; sie fanden meist Unterkunft bei Familienangehörigen, Verwandten oder Bekannten. Frankfurt am Main ist mit dieser Zusammensetzung von Menschen aus 178 Nationen eine typische moderne Großstadt mit multikulturellem Charakter.
Dadurch war die Notwendigkeit gegeben, sich endlich angemessen in den Prozeß der Gestaltung der Integration durch den Magistrat und die Verwaltung einzuklinken. Das neue Amt hat den Auftrag, die Umsetzung einer kommunalen Integrationspolitik zu entwerfen und durchsetzen zu helfen. Zum einen soll die Aufteilung der Zuwanderergruppen und ihre unterschiedliche Privilegierung, soweit dies auf kommunaler Ebene rechtlich und sozial möglich ist, aufgehoben werden. Zum anderen gehört die deutsche und die zugewanderte ausländische Bevölkerung zur Zielgruppe der Integrationsmaßnahmen. Antidiskriminierungsarbeit zielt auf alle Teile der Bevölkerung. Die Förderung des friedlichen Zusammenlebens setzt primär auf die Schaffung gleicher Rechte und gerechter Partizipationsmöglichkeiten für alle Menschen in der Stadt. Das zentrale Element einer multikulturellen Gesellschaft ist nach der Auffassung des Amtes nicht der kulturelle Pluralismus alleine, sondern die Gleichberechtigung und die Chancengleichheit aller Mitglieder der Gesellschaft. Multikulturelle Politik bedeutet die Einführung von Gesetzen, Vorschriften, Diensten, Einrichtungen und Maßnahmen zur Beseitigung der Benachteiligung von Minderheiten und zur Durchsetzung gleicher Rechte für alle, ohne Ansehen der sozialen Herkunft, Ethnie, Religion, Kultur und Geschlecht.
Zuwanderung soll vor allem als Chance kultureller Entwicklung gesehen werden. Dabei hat Kommunalpolitik den Auftrag, Defizite einzelner Personengruppen abbauen zu helfen und die Eigeninitiative und Emanzipation von Minderheiten zu fördern. Denn das Zusammenleben der unterschiedlichen nationalen, kulturellen oder religiösen Gruppen, die zudem sozial sehr verschiedene Hintergründe aufweisen, gestaltet sich – ohne großes Zutun öffentlicher Stellen – in aller Regel in einem ständigen Prozeß gegenseitigen Austausches und gegenseitiger Anpassung. Daß diese „Begegnungen“ und vor allem die sozialen Unterschiede Reibungspunkte und Konflikte mit sich bringen, ist unvermeidlich.
Probleme und Konflikte entstehen vor allem dort, wo politische, rechtliche und soziale Ungerechtigkeit, institutionelle und soziale Diskriminierung sowie fehlende Partizipation von Einheimischen und Zugewanderten am allgemeinen Wachstum feststellbar sind. Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Einschränkungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt, fehlende wirtschaftliche Perspektiven führen zu gegenseitigem Neid und zu aggressiver Konkurrenz. Erst hier werden – auf beiden Seiten – kulturelle oder ethnische Unterschiede plötzlich zum Mittel der Aus- und Abgrenzung. Es ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben der Kommunalpolitik, alles zu tun, um soziale Gerechtigkeit herzustellen.
Ein Amt, wie das in Frankfurt, das als „Frankfurter Modell“ inzwischen mehrfach anderswo Nachahmung gefunden hat, zeigt hier einen sinnvollen Weg auf. Es ermöglicht einem Team von Expertinnen und Experten unterschiedlicher Herkunft, mit breiten Sprachkenntnissen ausgestattet, Querschnittsaufgaben wahrzunehmen und die verschiedenen Bereiche der Kommune zusammenzuführen, zu vernetzen und besser planen zu helfen. Es initiiert Umstellungen und Reformen der vorhandenen Institutionen, auch der öffentlichen Verwaltung, die auf diese „Internationalisierung“ reagieren müssen.
Durch die Aufwertung interkultureller Arbeit soll aber auch eine neue Ära kommunaler Ausländerpolitik eingeleitet werden, die sich nicht weiter damit begnügen will, die Zuwanderung und Vielfalt zu „verwalten“ und sich konzeptionslos von Ereignis zu Ereignis durchzuwurschteln. Vielmehr wird die Gestaltung und das Mitwirken am Prozeß der Akkulturation ausdrücklich zur Aufgabe der Stadtpolitik und ihrer Verwaltung gemacht. Dies hat an sich bereits antidiskriminierende Wirkung. Das Amt soll, gestützt durch den Dezernenten, der sowohl im Magistrat als auch im Parlament Rechte und Pflichten hat, eine Querschnittsfunktion einnehmen. Es soll in Zusammenarbeit mit der Kommunalen Ausländer/innen- Vertretung und anderen Institutionen Überlegungen zur Verbesserung sozialer und kultureller Fragen entwickeln, Aufgaben aus verschiedenen Ressorts verbinden, Dinge, die zusammengehören, zusammenführen und somit die so dringend erforderliche Kommunikation herstellen. Denn kommunale Ausländerpolitik und Integrationsarbeit beschränkt sich nicht nur auf Sozialarbeit oder nur auf Kulturarbeit. Sie ist eine allgemeine, alle Ressorts umfassende Aufgabe. Ihre gesonderte Einbettung in die Stadtverwaltung (im Bereich des Hauptamtes) legitimiert sich genau aus dieser ressort- und ämterübergreifenden Aufgabenstellung. Daß eine solche Aufgabe nicht innerhalb kurzer Zeit nur technisch „installiert“ werden kann, sondern im Laufe eines Prozesses aller Beteiligten sich entwickeln muß, sollte auf der Hand liegen. Die Auswirkungen der Arbeit können somit auch erst mittelfristig erkennbar sein.
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