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Plandenken überwinden

■ Weiterbildungsstudium für DDR-Lehrerinnen an der FU Berlin

Das Denken in Plänen ist schwer zu überwinden. Als eine Ostberliner Lehrerin gefragt wurde, warum sie den Schülern ihrer sechsten Klasse Stoff beibringe, den diese bereits in der vierten Jahrgangsstufe hatten lernen müssen, antwortete sie: Die neuen Rahmenpläne für die sechste Klasse schreiben das so vor! – Der Rahmenplan als pädagogischer Fünfjahresplan, der auf Biegen und Brechen einzuhalten ist.

Dabei müßten Flexibilität und Improvisationsfähigkeit ganz oben stehen im Curriculum jener Lehrerinnen aus der DDR, die sich an der Freien Universität Berlin (FU) fachlich und pädagogisch weiterbilden. In insgesamt 13 Fächern von Biologie bis Sport sind 460 Lehrerinnen weitgehend ins normale Lehramtsstudium der FU integriert. Die Lehrerinnen aus Mitte, Prenzlauer Berg, Hellersdorf oder Hohenschönhausen sind zwischen vielerlei Anforderungen eingezwängt. Sie sollen weiterhin unterrichten und nebenbei ein komprimiertes Universitätsstudium bewältigen. Und zu den zahllosen Lebensbedingungen, die sich seit dem Um- und Zusammenbruch der DDR geändert haben, kommt die Kritik an den DDR- Lehrerinnen, sie hätten – mehr als andere – zum „vormundschaftlichen Staat“ beigetragen.

Das Land Berlin garantiert allen Lehrerinnen im Schuldienst einen Arbeitsplatz“, schreibt Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) in einer Informationsbroschüre. Aber die Lehrerinnen werden nicht automatisch Beamtinnen oder erhalten die höhere Besoldung. Dafür gibt es ein „umfangreiches Weiterbildungsangebot“.

Die Weiterbildung ermöglicht Unterstufenlehrerinnen, ihre fehlende wissenschaftliche Ausbildung nachzuholen. Diplom-Lehrerinnen der ehemaligen DDR mit einem Unterrichtsfach können ein zweites ergänzen. Zwei-Fach-Lehrerinnen haben die Möglichkeit, eines der beiden zu vertiefen und so die Qualifikationsvoraussetzungen für den Titel Studienrätin zu erringen. Der gibt den Diplom- Lehrerinnen aus der DDR die Chance, sich auch auf Schulleiterstellen zu bewerben.

Die Lehrerinnen studieren bei der Weiterbildung, die die FU erstmals im Wintersemester 91/92 anbot, in zwei oder vier Semestern auf die sogenannte Ergänzende Staatsprüfung hin. Sie legen dabei „ein Studium wie normale LehramtsstudentInnen auch ab, nur etwas komprimiert“, so erläutert Hans-Joachim Hinrichsen, wissenschaftlicher Assistent an der FU- Germanistik. Die Pflichtkurse des Grundstudiums belegen die Lehrerinnen aus den Ostbezirken mit ihren Kolleginnen. Seminare und Vorlesungen besuchen sie zusammen mit den LehramtsstudentInnen.

Die Ergänzende Staatsprüfung wird – wie es heißt – in „sinngemäßer Anwendung“ vom Wissenschaftlichen Landes-Prüfungsamt abgenommen. Sprich: Von Bestimmungen der Prüfungsordnung, die für die Ost-Lehrerinnen nicht erfüllbar sind, kann abgewichen werden. Dennoch kritisieren Dozenten und Professoren der FU die „bürokratische Übertragung“ der Staatsprüfung. Den seit Jahren unterrichtenden Diplom-Lehrerinnen, die nun auf den Titel Studienrätin hinarbeiten, würde eine weitere Examensarbeit abverlangt, sagen sie. Anders als durch die jetzt praktizierte „punktuelle Staatsprüfung“ wären auch Anerkennungen bereits abgelegter Examensarbeiten oder „kumulative Leistungsnachweise“ denkbar gewesen.

Die von den Lehrerinnen mitgebrachten Voraussetzungen für das Studium sieht Hans-Joachim Hinrichsen als „kolossal unterschiedlich“. Das Alter der Lehrerinnen etwa reicht von 21 bis 57 Jahre. Ihre überwiegende Motivation für das Studium ist die, „ihre berufliche Zukunft zu sichern“. Als Problem erweist sich allerdings, daß die von Schulsenator Klemann zugesicherte Freistellung vom Unterricht in den Bezirken offenbar sehr unterschiedlich gehandhabt wird. So sollen sich drei Hellersdorfer Lehrerinnen mit acht Stunden weniger Lehrverpflichtung (statt vorgesehener 18,5 Stunden) weiterbilden. „Dann ist das Studium praktisch nicht zu schaffen“, sagt der Germanist Hinrichsen.

Das Fortbildungsinteresse der Lehrerinnen zielt stark auf das für ihren Unterricht direkt Verwendbare ab. Das ist ein erstes Ergebnis einer Studie, die Joachim Stary und sein Kollege Horst Kretschmer über die Weiterbildungsmaßnahme anfertigen. Sie haben festgestellt, daß entlegenere Fächer wie Mittelhochdeutsch oder abstrakte Themen kaum Anklang finden. Diese aufs Praktische zielende Haltung bedeute aber nicht, daß die Lehrerinnen an der FU sich etwa nur eines Pflichtprogrammes entledigten. Nach anfänglichen Orientierungsproblemen habe sich schnell das sehr große Engagement und das überdurchschnittliche Interesse der Lehrerinnen herausgestellt, sagt die Organisatorin des Weiterbildungsprogrammes der FU, Gisela Wilsdorf. Umgekehrt empfänden die DozentInnen die Fortbildung als „wertvolle Erfahrung“. Die abstrakten Vorstellungen von dem untergegangenen Staat DDR müssen den konkreten Erfahrungen mit seinen BürgerInnen Platz machen. Mit dem Kennenlernen der konkreten Situation der Menschen, mit ihren Wünschen und Ängsten entsteht ein „besseres Verständnis für die DDR“, meint Hans-Jochaim Hinrichsen. Christian Füller

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