: Frieden schaffen ohne Waffen?
■ Ein Forum von Bündnis 90/Grüne im Reichstag soll die Erneuerungsdebatte der Friedensbewegung eröffnen
Berlin (taz) – Unter dem Titel „Frieden schaffen ohne Waffen“ findet heute im Berliner Reichstag ein Forum der Bundestagsgruppe Bündnis 90/Die Grünen statt. Doch auf der Einladung ist die Parole der Friedensbewegung mit einem Fragezeichen versehen. Das Interesse der Initiatoren zielt weniger auf Selbstbestätigung als auf eine offene Debatte. Weil sich die Friedensbewegung „von der bipolaren Weltsicht noch nicht befreit hat, läuft sie den Ereignissen hinterher“, heißt es in einem in der taz veröffentlichten Brief vom August letzten Jahres, in dem prominente Mitglieder der einstigen Ost-Friedensbewegung ihre Gesinnungsfreunde aus dem Westen zur Diskussion aufforderten. Die Friedensbewegung, so die Überzeugung von Marianne Birthler, Gerd Poppe und anderen, könne es sich nicht aussuchen, „ob sie sich erneuert, oder nicht – sie ist dazu verpflichtet“. Die notwendige Erneuerung bedeute nicht, das Prinzip der Gewaltfreiheit zur Disposition zu stellen; doch es müsse im Interesse der Menschenrechte durch das „Prinzip Einmischung“ ergänzt werden.
Daß solche friedenspolitischen Neuerungsversuche Widerspruch und pazifistische Emotionen provozieren, zeigte sich nicht nur nach der Jugoslawienreise der grünen Politiker Claudia Roth und Helmut Lippelt, die nach ihrer Rückkehr zur Einmischung aufforderten, sondern auch an der Reaktion des „Komitees für Grundrechte und Demokratie“. Zwar dürfe der Pazifismus nicht zum Beschwörungsritual verkommen, erklärten Andreas Buro, Wolf-Dieter Narr und Klaus Vack in einem „Offenen Brief an das Bündnis 90“, der im Diskussionsorgan der Bürgerbewegung Bündnis 2000 abgedruckt wurde; doch die erneuerungswilligen Pazifisten müßten sich der Gefahr bewußt sein, mit ihren Forderungen „auf eine schiefe, kriegerische Ebene zu geraten“.
Wie brisant die anstehende Debatte werden könnte, zeigt auch die Art, wie sie bislang zwischen Grünen und Bündnis 90 ausgeklammert wird. „Jede Eskalationsstrategie in dieser Frage wäre von Übel“, weiß etwa Wolfgang Ullmann. Keinesfalls, so scheint es, soll der auf Harmonie angelegte Vereinigungsprozeß beider Parteien mit einer offenen Kontroverse um eine militärische Intervention in Jugoslawien oder zukünftige Einsätze der Bundewehr belastet werden. Immerhin läuft die Rücksichtnahme der Bürgerrechtler auf grüne Empfindlichkeiten nicht auf Politikverbot hinaus: In zwei Anträgen hat die Bundestagsgruppe für deutsche Beteiligung an Blauhelm-Einsätzen sowie für die Aufstellung eines UN-Kontingents votiert. Wie der offenkundige programmatische Konflikt zwischen den künftigen Partnern beigelegt wird, ist offen.
Das heutige Forum könnte einen Voreindruck der künftigen Auseinandersetzung bieten. In zwei Gesprächsrunden sollen zum einen Stand und mögliche Erweiterung internationaler Konfliktschlichtungsmechanismen, zum anderen – am Beispiel Jugoslawien – über Für und Wider einer militärischen Intervention debattiert werden. eis
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