: Umweltschutz: Akteneinsicht für alle
■ Neue EG-Richtlinie gewährt mehr Bürgermitbestimmung durch Akteneinsicht
hierhin die
ekligen Handschuhe
Akteneinsicht kostet ArbeitszeitFoto: Tristan Vankann
Der Traum aller Bürgerinitiativen scheint wahrgeworden: Seit dem 1. Januar ist auch in Bremen eine EG-Richtlinie in Kraft, die Bürgerinnen und Bürgern Akenteinsicht in Umweltverfahren gewähren soll. „Es ist notwendig“, so heißt es in der EG-Richtlinie 90/313/EWG, „in der gesamten Gemeinschaft allen natürlichen und juristischen Personen freien Zugang zu den bei Behörden in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV- Form verfügbaren umweltbezogenen Informationen über den Zustand der Umwelt, Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand negativ beeinflussen oder negativ beeinflussen können, sowie über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu gewährleisten.“
Wer also wissen möchte, wie es derzeit um die Hemelinger Marsch bestellt ist, braucht nur beim Umweltsenator anzuklopfen und Akteneinsicht beantragen? So leicht ist es nicht, denn die Umsetzung der Richtlinie ist unendlich kompliziert.
Zunächst einmal sind in der Richtlinie selbst ein paar Fußangeln erwähnt, die einen neugierigen Frager leicht zu Fall bringen können. Ein Antrag auf Information kann danach dann abgelehnt werden, wenn „Vertraulichkeit der Beratungen“ oder „öffentliche Sicherheit“ gefährdet sind, wenn Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse offenbart werden könnten oder wenn es um „noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder noch nicht aufbereitete Daten oder interne Mitteilungen“ geht.
Damit nicht genug. Denn die Tatsache, daß die relativ alte EG- Richtlinie (vom 7. Juni 1990) in der Bundesrepublik in Kraft getreten ist, drückt eine Art Mangelerscheinung aus. Nur dort, wo der Gesetzgeber bis zum 31.12.1992 kein Durchführungsgesetz zu der EG- Richtlinie erlassen hat, tritt die EG-Richtlinie in Kraft. „Der Bundesumweltminister hatte den Ländern im letzten Sommer einen Gesetzentwurf vorgelegt, der aber abgelehnt wurde“, erklärt die Referentin für Naturschutz, Abfall und Planungsrecht beim Bremer Umweltsenator, Elisabeth van der Wal. Töpfers Entwurf sei „zu restriktiv ausgelegt“ gewesen. Er habe aus der EG-Richtlinie ein „Auskunftsrecht, kein Akteneinsichtsrecht“ machen wollen, und dagegen hätten einige Länder, darunter Bremen, Niedersachsen und Hessen, Krach geschlagen.
Solange es beim Bund also kein Durchführungsgesetz gibt, gilt in Bremen ein Erlaß des Umweltsenators. Sinn der EG-Richtlinie und des Erlasses sei es, „die Transparenz des Umwelt-Verwaltungshandelns (zu) erhöhen und damit zu einer Schärfung des Umweltbewußtseins“ beizutragen. „Zugänglich zu mach sind alle auf Datenträger gespeicherten Fakten, Prognosen, Planungen und Vorhaben (!), die die Umwelt bzw. ihren Schutz betreffen oder Auswirkungen auf ihren jetzigen wie künftigen Zustand, auf den Menschen sowie auf Kultur- und Sachgüter haben können. „Eine möglichst wirksame Umsetzung erfolgt durch die Gewährung von Akteneinsicht. Daneben ist dem Bürger ein Auskunftsrecht einzuräumen“. “Sofern Akten vorliegen, sind diese Informationen zugänglich zu machen“, das ist auch die Interpretation von Elisabeth van der Wal. Aber mit einem Erlaß des Umweltsenators ist das ein bißchen schwierig. Der gilt nämlich nur für die dem Umweltsenator unterstellten Behörden, also: Planungsamt, Abfallwirtschaft, Abwasser etc. Was aber ist mit dem Wirtschaftsressort, der Erschließung von Gewerbeflächen, mit Straßenbau, Gewerbeaufsichtsamt? „Dieser Erlaß des Umweltsenators ist für uns nicht unmittelbar anwendbar, aber wir würden und natürlich bei Anträgen gemäß der Richtlinie verhalten“, sagt Dirk Petrat, Grundsatz-Referent im Wirtschafts-Ressort. Bislang seien aber keine besonderen Vorbereitungen für die Umsetzung der EG- Richtlinie getroffen worden. „Es hat auch noch niemand angefragt.“
Der hessische Umweltminister kennt diese Probleme mit Hauerlassen. Um solche Kompetenzabgrenzungen zu umgehen, bastelt er gerade an einem Landesgesetz. „Wir wollen damit die Allgemeinverbindlichkeit auch für die Behörden erreichen, die wir per Erlaß nicht kriegen“, sagt die Sprecherin des hessischen Umweltministers, Renate Gunzelhausen. Außerdem könne durch ein Gesetz die Erhebung von Gebühren verbindlich geregelt werden. „Denn wenn wir Akteneinsicht geben, kostet das natürlich auch Arbeitszeit, die bezahlt werden muß.“
Ein Landesgesetz kommt in Bremen nicht in Frage. „Das lohnt sich einfach nicht“, sagt Elisabeth van der Wal, „weil der Bund eine Vollregelung treffen will, die ein Landesgesetz dann wieder aus Kraft setzen würde.“ Der Bund arbeitet derzeit fieberhaft an einem Gesetz, ein Entwurf liegt auf Referentenebene vor. Darin heißt es zwar ausdrücklich, daß neben Umweltinformationen auch Akteneinsicht gewährt werden soll. Aber auch die Möglichkeiten der Einschränkungen sind zahlreich und breit gefächert. Unter anderem heißt es da wörtlich: „Der Anspruch (auf Umweltinformationen und Akteneinsicht d. Red.) besteht nicht, wenn zu besorgen ist, daß durch das Bekanntwerden der Informationen ... der Erfolg behördlicher Maßnahmen ... gefährdet werden.“
Und dann sind da noch jede Menge Datenprobleme. Denn natürlich müssen personenbezogene Daten in Umweltverfahren geschützt werden. „Wir stellen uns vor, daß wir die entsprechenden Informationen herausnehmen, bevor wir sie zur Einsicht freigeben“, sagt Elisabeth van der Wal. Das bedeutet einen hohen Bearbeitungsaufwand, weil alle Akten, die zur Einsicht freigegeben würden, vorher von der Behörde auf persönliche Daten gesichtet werden müßte. „Leider sind wir personell überhaupt nicht auf so etwas vorbereitet“, sagt van der Wal. Bislang hat sich das nicht negativ bemerkbar gemacht, denn auch beim Umweltsenator sind seit in Kraft treten der EG-Richtlinie noch keine Anfragen gekommen.
Das der Datenschutz nicht vordergründig vor anderen Interessen den Sinn der EG-Richtlinie konterkariert, dafür will der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Bremen sorgen. Der hat in einer Stellungnahme zu dem Erlaß des Umweltsenators erklärt: „Ich rege ... an, den Erlaß Ihrer Behörde insoweit zu ergänzen, als ein Auskunftsanspruch nicht ausgeschlossen ist, wenn der Zugang zu Informationen über die Umwelt unvermeidbar mit der Offenbarung des Namens, des Berufs, der Branchen- und Geschäftsbezeichnung der Verursacher einer Umweltbeeinträchtigung verbunden ist, es sei denn, daß besonders schutzwürdige Interessen der Verursacher überweigen.“ Auch der Bremer Datenschützer weiß, daß ein Erlaß des Umweltsenators für die übrigen Behörden, die mit Umweltverfahren betraut sind, nicht zählt. Er empfiehlt dem Umweltressort deshalb, „den überarbeiteten Entwurf als Senatsbeschluß für die gesamte bremische Verwaltung verbindlich anzuordnen.“ Markus Daschner
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