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Flinten und Helme im Angebot

■ Auf der vierten internatiuonalen Waffenbörse herrschte großer Andrang / 12.000 Besucher verzeichnet / An manchen Militaria-Ständen drängelten sich Skinheads

Berlin. Wenn der Ostberliner Malergeselle Henry Frenzel genug hat vom Alltag, treibt es ihn hinaus in die Schlacht. Dann zieht er sich seine Uniform über, „vom fünften westfälischen Landwehrregiment 1813“, hängt sich das Gewehr um und stellt sich dem Feind. Frenzel pflegt, im Verbund mit ein paar hundert Mitstreitern von der Arbeitsgemeinschaft „Geschichte live“, ein ungewöhnliches Hobby: Die jungen Leute stellen kriegerische Auseinandersetzungen nach, in historischen Uniformen und nach Möglichkeit an Originalschauplätzen. Gern wäre Frenzel neulich dabei gewesen, als zweitausend kostümierte Krieger Napoleons Niederlage in Waterloo nachgestellt haben. Doch das klappte nicht. Dafür beteiligte sich seine Einheit an der Neuauflage der Leipziger Völkerschlacht.

Was Waterloo angeht, kann Henry Frenzel sich immerhin mit einem Video trösten. Das hat er am Wochenende auf der Berliner Waffenbörse in der Kongreßhalle am Alexanderplatz vorgeführt. Auf der Waffenbörse wurden antike und moderne Waffen verkauft, Militaria und Ehrenzeichen. 12.000 Besucher kamen. Frenzels Arbeitsgemeinschaft war angetreten, um endlich mal aufzuräumen mit alten Vorurteilen. Wie oft schon ist Henry Frenzel von vermeintlichen Friedensfreunden als Nazi beschimpft worden wegen seines eisernen Kreuzes an der Mütze. „Dabei stammt das aus den Befreiungskriegen – und das werfen die Leute mit dem Dritten Reich in einen Topf.“ Kriegspiele seien keine Gewaltverherrlichung, findet er. Schließlich seien die Kämpfe nur ein Teil der Veranstaltung, „der Rest ist Lagerleben, Rolle der Frau im 19. Jahrhundert und so“.

Man kann, sagt Frenzel, bei so einem Treffen „richtig eintauchen in eine andere Epoche“ und außerdem noch etwas für seine Disziplin tun. Die Kämpfer gehen immerhin mit richtigem Schwarzpulver aufeinander los, und wer nicht aufpaßt, kann schon mal eine kleine Verbrennung abbekommen. „Der Ablauf des Kampfes“, so Frenzel, „muß klar sein, da wird vorher gedrillt wie beim echten Militär.“

Imagepflege hin oder her – sie sind schon übel beleumundet, die Sammler von Waffen, Orden und Uniformen. Wer noch alle beisammen hat, sagen die Kritiker, wird seine Freizeit nicht mit den Relikten großer Heerführer verbringen; mit Waffen, die in erster Linie Mordinstrumente sind. Argumente wie diese kann David Schiller nicht mehr hören. Schiller ist Chefredakteur des Waffenmagazins Visier; daheim hütet er vierzig amerikanische Gewehre. Das Sammeln von Militärdevotionalen sei einfach eine gute Geldanlage„wie Münzen oder Briefmarken“. Daß den Militaria-Fans das Vorurteil anhafte, rechtsradikal zu sein, hält Schiller für das Resultat einer großangelegten Hetzkampagne. Bei Waffenbörsen sei es zum Beispiel verboten, mit Ausrüstungsgegenständen aus der Nazizeit zu handeln. Trotzdem „hat das Gewerbeamt seine Leute hergeschickt, und die haben medienwirksam alles nach Hakenkreuzen abgesucht.“ Die Politiker, sagt der gelernte Politologe Schiller, scheiterten bei der „Bewältigung des Neonaziproblems“ und fahndeten stattdessen nach Naziemblemen: „Panikmache, lächerlich“. Mit den paar „Glatzen“ die sich auf der Messe einfänden, müsse man eben leben: „Ich kann das auch, obwohl ich Jude bin.“

Es sind schon mehr als nur ein paar Glatzen, die sich auf der Messe drängeln. Bomberjacken, Springerstiefel, rasierte Stiernacken sammeln sich um den Stand von Siegmund Stephan, Militariahändler aus Soltau. Der – seiner Kundschaft optisch nicht unähnlich – hat Begehrtes im Angebot: Flinten, Helme, Anstecknadeln, auf Kassette den „Stormtrooper March Vol.II“ und den „German Navy March“. Stephan verhandelt und lacht und berät, und als ihn einer nach Nazi-Wimpeln fragt, wird er gar ungewollt ehrlich: „Wir verkaufen hier schon soviel Scheiß, da brauchen wir das nicht auch noch.“ Holger Gertz

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