: Don't talk, Thoelke!
■ Big Wim macht ohne Hund und Rüsseltier eine schlechte Figur
Was hatten wir für Hoffnungen gesetzt auf Thoelkes zweite Talk- Show! Hatten die Skeptiker verlacht, die der Überzeugung waren, daß Big Wim sich nach seinem Debakel vor drei Wochen nicht wieder auf den Bildschirm trauen werde. Hatten uns Freitag abend feixend vor demselben versammelt und stundenlang diskutiert, was den Mann wohl dazu treibt, sein Schicksal derart herauszufordern, eine Frau im Hintergrund? Ein Trainer, der gesagt hat „mach es, Wim“? Arteriosklerotische Demenz??? Zur Einstimmung lassen wir die Höhepunkte seiner ersten Small-Talk-Show nochmals Revue passieren:
Freitag, 29.Januar, MDR, um 22.17Uhr unterbricht Thoelke den Begrüßungsbeifall ohne zu ahnen, daß er soeben leichtfertig den letzten Applaus des Abends verschenkt. Dann erteilt sich Trick Wim für den überwiegenden Rest der 90 Minuten selbst das Wort. Und anstatt ein verantwortungsbewußter Techniker für diese Zeit ein unverfängliches Testbild in den Aether schickt, darf der Talk-Master live derart kindisch-reaktionäre Ansichten vertreten, daß neben ihm Ekel Alfred als ein liberaler Linksaußen verblassen würde. Zuerst murrt Thoelke gegen ein Verkehrskonzept, welches verstärkt auf den öffentlichen Nahverkehr setzt. (Man bedenke: Da wettert ein Mann, dem jeder cholerische Misanthrop sofort einen Einzelsitzplatz in Fahrtrichtung anbieten würde!)
Anschließend beklagt er, daß deutsche Soldaten sich nicht an die Front trauen und keine U-Boote an Taiwan geliefert werden. Tröstet uns allerdings auch sofort mit den büttenreifen Erkenntnissen, daß wir alle Gottes Kinder sind und daß in der DDR nicht alles schlecht war.
Und während der Aktionskünstler Christo an der geistigen Klarheit seines Simultan-Dolmetschers zu zweifeln beginnt, verwandeln sich die restlichen Talk- Gäste rund um den Schwadronierenden in eine Runde schweigeerprobter Trappistenmönche.
Das fällt Big Wim gar nicht weiter auf, wohl aber etwas anderes: „Ich sehe jetzt gerade das Gesicht des Berliner Programmdirektors...“ – der Kameramann reagiert blitzartig, erwischt den Direx noch bevor das gequälte Lächeln zum Tragen kommt – „und ich weiß es nicht zu interpretieren!“ Wir schon: Circus Maximus, Daumen nach unten. „Er – Haha – Ich – stehe da und warte... aber ich werd' nachher mit ihm darüber reden...“ Programmdirektor Schättle muß inzwischen denken, was wir alle denken: Thoelke ist auf offener Bühne wahnsinnig geworden. Und auch Thoelke selbst – denkwürdiger Höhepunkt in der Geschichte des Fernsehens! – kann sich inzwischen diesem Gedanken nicht mehr völlig verschließen: „... Vielleicht sagt er ,sind Sie wahnsinnig geworden‘, aber bin ich nicht, ne, nicht, sollte man ruhig auch können...“ In einem vorübergehenden Moment geistiger Klarheit fragt Thoelke dann, ob irgend jemand ein Gedicht kann, und mit einem Film über Gedichte dümpelt die Show dem Ende entgegen.
Und diesmal?
Freitag, 19.Februar, MDR: Bodenlose Enttäuschung! Anderthalb Stunden Langeweile. Zwar setzt der salbadernde Big Wim wieder alles daran, seine Talk-Gäste möglichst nicht zu Wort kommen zu lassen, hat aber diesmal in Ivan Rebroff einen genauso unerbittlich herumalzheimernden Gegenspieler. Und da Thoelke offensichtlich strikte Weisung hat, sich seiner kruden politischen Kommentare zu enthalten, fehlen der Sendung diesmal die entscheidenden Szenen. Interessant wird es lediglich, als der rüstige Senior anfangs Konfetti feuert, über den Tisch und in die Weingläser seiner Gäste. Oder Witze erzählt, die wegen Niveaulosigkeit nicht mal Fips Asmussen auf der Werbeverkaufsveranstaltung einer Butterfahrt anbieten würde. Oder einfach mal den Namen seiner Gäste vergißt.
Das Fazit der ersten zwei Shows? Wim Thoelke als Talk- Master, das ist, als ob Heiner Geißler zu fliegen versucht (Wieso, Heiner Geißler macht mit seinem Flugdrachen doch eine ganz passable Figur? die Säzzerin) oder Werner Niefer sich ans Steuer eines Busses setzt. Und: Wenn es darum geht, eine Gesprächsrunde zu leiten, ist Big Wim aus der alten Dreierbande Wendelin-Wum-Thoelke auf jeden Fall der unfähigste. Martin Sonneborn
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