: Auf Schlingerkurs zum „Solidarpakt“
■ Ministerpräsident Münch (CDU) will Solidaritätszuschlag ab 1. Juli
Berlin (taz/AP) – Der Solidarpakt kommt, aber wann und wie? Während sich gerade die Arbeits- und Sozialminister von Bund und Ländern auf einem Treffen in München gegen Kürzungen im Sozialbereich ausgesprochen haben, dringen aus dem Bonner Familienministerium von Hannelore Rönsch (CDU) Vorschläge, nach denen Sozialhilfeempfänger mit mehr als drei Kindern künftig weniger Geld bekommen sollen. Das meldet jedenfalls der Kölner Express.
Verwirrung auch um einen Zuschlag zur Einkommensteuer. Bisher lautete die CDU-Position: nicht vor 1995. Die SPD wollte einen Zuschlag für Besserverdienende schon ab 1. Juli dieses Jahres. Und während gestern als erster hochrangiger CDUler der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Werner Münch, die Wiederauflage des alten Solidaritätszuschlags ab 1.Juli 93 forderte, bewegte sich sein SPD- Kollege Rudolf Scharping (Rheinland- Pfalz) in die entgegengesetzte Richtung: An der „Terminfrage“ werde eine Einigung mit der SPD nicht scheitern.
Die Einsparungen, die mit einem Solidarpakt verbunden sein werden, treffen in großem Umfang die Städte und Gemeinden.
Spätestens zu Beginn des nächsten Jahres sollen kommunale Gebühren und Abgaben drastisch erhöht werden. Das kündigte gestern Hans Gottfried Bernrath (SPD), Präsident des Städte- und Gemeindebundes, in einem Interview mit Bild am Sonntag an. Die Gemeinden müßten ihre Zuschüsse für Vereine und Theater, aber auch für Kindergärten und andere soziale Einrichtungen kürzen. Die Gewerbesteuer und alle Arten von Gebühren würden erhöht – von der Müllabfuhr bis zu den Friedhofskosten. Auch das Parken werde teurer. Die Erhöhungen würden spätestens zum 1. Januar 1994 wirksam.
Nach Ansicht des saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine gibt es realistische Chancen für eine Einigung beim Solidarpakt: „Wir hätten ja den Solidarpakt schon, wenn alle frei abstimmen könnten.“ Die SPD-Vorschläge zur Finanzierung der Einheit würden von den Ministerpräsidenten der neuen Länder positiv aufgenommen. Zudem gebe es in den Reihen der Union viele Politiker, die das SPD- Konzept zur Arbeitsmarktpolitik, zur Förderung von Investitionen und zum Wohnungsbau unterstützten. Die einzige Frage sei, „ob der Kanzler sich bewegt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen