: Per Gesetz gegen Ägyptens Islamisten
■ Ihr Einfluß in den Berufsverbänden soll zurückgedrängt werden
Kairo (taz) – „Das ist das endgültige Ende des Liberalismus in diesem Land“, sagt ein ägyptischer Politologe, der lieber anonym bleiben möchte. Der Grund seiner Frustration ist ein letzte Woche vom ägyptischen Parlament erlassenes Gesetz, mit dem die Regierung von Hosni Mubarak versucht, die Aktivitäten der islamistischen Oppostion unter Kontrolle zu bringen. „Gesetz zur Sicherstellung der Demokratie in den Berufsverbänden“ heißt das neue Gesetzeswerk zwar, aber in linken und islamistischen Oppositionskreisen ist man sich einig, daß in diesem Falle nomen nicht gleich omen ist.
Die 19 Berufsverbände mit insgesamt drei Millionen Mitgliedern, die die Regierung nun zu kontrollieren sucht, gehören zu den wenigen Institutionen in Ägypten, in denen die Opposition aktiv Politik betreiben kann. Vielfach finden die wirklichen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition nicht im Parlament statt, das in seiner absoluten Mehrheit von der Regierungspartei beherrscht wird, sondern in den Berufsverbänden. Der ägyptische Soziologe Saad Eddin Ibrahim sieht in den Berufsverbänden daher auch den Kern der ägyptischen Zivilgesellschaft.
In den letzten zehn Jahren gelang es der islamistischen Opposition, die Vorstände der wichtigsten dieser Vereinigungen, die Verbände der Ärzte, Ingenieure, Apotheker, Zahnärzte und Professoren, unter ihre Fittiche zu bekommen. Ende letzten Jahres übernahmen sie überraschenderweise eine der letzten links-liberalen Hochburgen, den Anwaltsverband. Auf der Generalversammlung, auf der nur zehn Prozent der Wahlberechtigten anwesend waren, errangen die Islamisten eine Zweidrittelmehrheit im Vorstand. Die Regierung und die nichtislamistische Opposition schienen die damaligen Wahlen buchstäblich verschlafen zu haben. „Trotzdem können wir den Islamisten keinen Strick daraus drehen, daß sie sich professionell an den demokratischen Spielregeln beteiligt haben und ihre Wähler eben besser mobilisiert haben“, sagt Saad Eddin Ibrahim. Genau das scheint aber nun die Absicht des neuen Gesetzes zu sein. In Zukunft dürfen die Vertreter der Verbände nur noch mit einer Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent in der Generalversammlung gewählt werden. In zwei weiteren Wahlgängen würde ein Drittel genügen. Kommt auch dann kein Ergebnis zustande, übernimmt der Vorsitzende des ägyptischen Appellationsgerichts die Geschäfte.
In einer hitzigen Parlamentsdebatte warf einer der Abgeordneten den Mitgliedern des Parlaments Inkonsequenz vor. „Einige der Abgeordneten haben ihren Sitz bei einer Wahlbeteiligung von nur zehn Prozent erhalten und fordern nun von den Berufsverbänden eine mindestens 50prozentige Beteiligung“, argumentierte er in Anspielung auf die niedrige Wahlbeteiligung bei den letzten Wahlen. Der Vorsitzende der linken Sammlungsbewegung, der einzigen Oppositionspartei, die die letzten Parlamentswahlen nicht boykottiert hatte, lehnte das Gesetz ab, da die eigentlich Betroffenen, die Berufsverbände, nicht nach ihrer Meinung gefragt worden waren.
Einer deren Vertreter, der Vorsitzende des Händlerverbandes, warnte davor, daß dieses Gesetz die Aktivitäten der Verbände praktisch lahmlegen wird. Die Verbände laufen besonders gegen die Regelung Sturm, nach der die ägyptische Judikative die Geschäfte übernehmen kann. Außerdem, so argumentierten viele Verbandsmitglieder, solle man das Ganze getrost den Verbänden selbst überlassen, zumal sie sich in Mitgliederzahl und Aktivitäten stark unterscheiden. Vertreter der Regierungspartei unterstützen das neue Gesetz meist mit der Begründung, daß es in vielen Berufsverbänden zu einer „Diktatur der Minderheit“ gekommen sei.
Das neue Gesetz verbietet den Verbänden auch, Geld für politische Aktivitäten außerhalb des Verbandsinteresses zu sammeln. Damit zielt es unmittelbar auf die Aktivitäten der Islamisten ab. Über ein im Ärzteverband gegründetes Hilfskomitee hatten sie Spenden für bosnische Muslime und für Opfer des Erdbebens in Kairo gesammelt. Ihre Hilfsaktionen nach dem Erdbeben waren oft effektiver als die der Regierung, womit die Islamisten weiter an Popularität gewannen. Mit dem neuen Gesetz hat die Regierung diese Konkurrenz vorläufig kaltgestellt.
Den Islamisten wurde damit eines ihrer wichtigsten Instrumente entzogen. Manche fürchten nun, daß viele von ihnen auf Dauer gezwungen sind, sich illegalen Aktivitäten zuzuwenden. Damit könnten sich diejenigen, die legal arbeitenden, mit den aus dem Untergrund operierenden Islamisten zu einer gefährlichen Mischung vereinen.
Mubarak hatte das neue Gesetz in weniger als 24 Stunden bereits gegengezeichnet. „Es ist eine wichtige Sicherung für unsere Demokratie. Unsere demokratischen Institutionen werden damit mit Recht, Gesetz und Gerechtigkeit gegen alle Versuche verteidigt, ihr Schicksal gegen die Interessen ihrer Mehrheit zu kontrollieren“, ließ der Präsident anschließend verlauten. Karim El-Gawhari
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