: In Menschenschulen getestet Von Andrea Böhm
Kindergartenplätze in den USA sind rar und teuer; die zweite Option, eine illegale Immigrantin als „Nanny“ anzuheuern, wie die Kinderbetreuerinnen in den USA genannt werden, kann böse Folgen haben, wie unlängst der unrühmliche Abgang zweier Kandidatinnen für das Amt der Justizministerin, Zoe Baird und Kimba Wood, zeigte.
Da stellt sich die Frage: Was wäre gewesen, hätten die beiden keine Kinder, sondern Hunde versorgen müssen? Natürlich macht es keinen Unterschied, ob man eine/n illegale/n Immigranten/in zum Hunde- oder Babysitting anheuert. Illegal ist illegal.
Doch in der Regel sehen sich Hundebesitzer mit diesem Dilemma gar nicht konfrontiert. Ihr Leben wird zwar durch einige wenige staatliche Eingriffe erschwert; zum Beispiel das Gebot, Ausscheidungen ihrer Vierbeiner umgehend von Straßen und Bürgersteigen zu entfernen, weshalb Frauchen und Herrchen nicht nur an Hund und Leine zu erkennen sind, sondern auch am Plastiktütchen und einem mehr oder weniger ausgereiften IAHH (Instrument zur Aufnahme von Hundekot ohne Hautkontakt). Zuwiderhandlungen kosten bis zu 200 Dollar Strafgeld. Hundewindeln sind noch nicht auf dem Markt.
Davon abgesehen, gestaltet sich das Leben jedoch einfach und bequem. Auf dem Arbeitsmarkt tummeln sich genügend legale Tagesmütter und -väter für Hunde. Da gibt es zum einen dog sitting services, wo Berufstätige für rund zehn Dollar tagsüber Pudel, Collie oder Boxer abgeben können — Füttern und Gassi gehen sind mit im Preis. Das ist allerdings die kargste Version der Hundetagesstätte. Wer eine pädagogisch anspruchsvolle Betreuung vor allem für den jungen Hund sucht, meldet den Kleinen bei einer PR DOG (Positive Reinforcement Dog Obedience Group) an.
Dort werden nicht nur Mahlzeiten und Spaziergänge geboten. Zweibeinige Supervisoren überwachen Unterrichtseinheiten in „freiem Spiel“ und „gutem Benehmen“. Der Lehrplan umfaßt die üblichen Kommandos wie „Sitz!“, „Mach Männchen!“ oder „Ruhig!“ bis zu anspruchvolleren Lernzieleinheiten: zum Beispiel, daß man Hausgäste nicht anspringen soll. Wie in jeder anständigen Kindertagesstätte wird auch Mittagsschlaf gehalten.
Damit der zittrige, schüchterne Chihuahua nicht dem psychischen Druck durch einen kraftstrotzenden, verspielten Pit Bull ausgesetzt ist, stellen die Supervisoren Kleingruppen je nach Temperament und Alter zusammen – eine Methode, die sich in Menschenversuchen bewährt hat. Schreien, Schlagen und Würgen am Halsband sind aus dem pädagogischen Repertoire gestrichen. Das Zauberwort lautet statt dessen Positive Reinforcment. Soll heißen: Lernen durch Lob, Hundekuchen und Streicheleinheiten. Auch dieses Verfahren wurde vorher mit geringfügigen Abweichungen an Menschenschulen getestet.
Was das wohl kostet, werden Sie jetzt fragen. 13,50 Dollar am Tag. So billig finden Sie in Washington nicht mal einen Ganztagesparkplatz für Ihr Auto. Katzen werden übrigens nicht aufgenommen. Sie sind kleingruppenuntauglich und erkennen die positive reinforcement sofort als das, was es ist: soziale Kontrolle mit einem Stückchen Fisch.
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