: Kriegsleid zu betrügerischen Zwecken mißbraucht
■ Betrüger versucht an Bosnien-Krieg zu verdienen und nutzt Hilfsbereitschaft aus
Berlin. Nutzen ganz eigener Art versucht ein junger Mann aus dem Leid und Elend im ehemaligen Jugoslawien zu ziehen. Mit der Behauptung, Flüchtlingskinder aus Bosnien privat unterbringen zu müssen, mißbraucht er die Hilfsbereitschaft türkischer Familien in Kreuzberg für ihre bedrohten moslemischen Glaubensbrüder im Balkanstaat.
Seine Masche: Er gibt sich als Krankenpfleger eines Käthe-Kollwitz-Heimes aus Friedrichshain aus und erzählt den ahnungslosen Opfern, das Gebäude werde derzeit wegen Bauarbeiten renoviert und könne daher die Kinder nicht aufnehmen. Es sei jedoch dringende Eile geboten, da die 40 Kinder schon am nächsten Tag in Berlin ankämen. Willigt sein Gegenpart ein, verlangt er für die private Unterbringung jedes Kindes 65 Mark für die Unfallversicherung, die mit der Sozialunterstützung wieder zurückgezahlt werde. Anschließend stellt er einen handgeschriebenen Zettel aus und firmiert als „Krankenpfleger Krüger“ – so geschehen in mindestens einem Fall, der sich am vergangenen Donnerstag bei einer türkischen Frau in der Waldemarstraße in Kreuzberg ereignete.
Weil die Frau dem Mann jedoch mißtraute und vorsichtshalber mit ihm den Frauenverein „Akarsu“ in Kreuzberg aufsuchte, gelangte der Fall nun an die Öffentlichkeit. Die anwesenden Frauen bei „Akarsu“, denen er seine Geschichte nochmals auftischte, konnte er zunächst überzeugen: Spontan fanden sich zehn Frauen bereit, Kinder aufzunehmen, wie Vorstandsmitglied Sevim Celibi erzählt: „Was er schilderte, hörte sich im ersten Moment glaubwürdig an.“ Geld zahlten ihm die Frauen jedoch nicht aus – dafür versprach der etwa 30jährige, am nächsten Tag wiederzukommem, um weitere Details abzuklären. Ein zweiter Besuch bei „Akarsu“ war dem „Krankenpfleger Krüger“ aber zu heiß. Wohl auch, weil ihm Sevim Celibi den Vorschlag unterbreitete, eine Pressekonferenz für sein Anliegen zu organisieren.
Aus gutem Grund: Denn weder gibt es in Friedrichshain ein Käthe- Kollwitz-Heim, noch existieren die 40 Kinder, wie der dortige Sozialstadtrat Lorenz Postler (SPD) gegenüber der taz erklärte: „Das ist alles erstunken und erlogen.“ Überrascht zeigte sich auch die Polizei. Kriminalkommissar Wolfgang Woytasch vom Betrugsreferat zur taz: „Solch ein Fall ist Neuland für uns.“ Severin Weiland
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