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Armer Geist-betr.: "Der Spion, der aus dem Nebel kam", Kommentar von Manfred Kriener, taz vom 11.2.93

betr.: „Der Spion, der aus dem Nebel kam“, Kommentar von Manfred Kriener, taz vom 11.2.93

„RAF-Anwalt“ war bis jetzt eigentlich eher das Kürzel der bürgerlichen Presse für Klaus Croissant, um von vornherein keine Zweifel aufkommen zu lassen, um wen es sich da dreht und was von ihm zu halten ist, und „Stasi-Spitzel“ ist der (West)-Terminus, der in seiner Undifferenziertheit jeden, dem er vorgehalten wird, in Wut versetzt und mundtot macht. Letzteres gilt für Klaus Croissant allerdings nicht. Er steht zur DDR wie am ersten Tag, als er sich für sie, als dem besseren Deutschland, entschieden hat. Und hier präsentiert er sich wirklich als armer Geist.

Denn zunächst einmal ist gegen die Entscheidung gar nichts zu sagen, im Gegenteil. Und anstatt sich an dem „Gesinnungsschwein“ zu ergötzen, sollte sich die „Szene“ mal fragen, wie weit sie bereit war, sich aus dem Fenster zu lehnen, um mit dem Sozialismus ernst zu machen. Es mag paradox klingen, aber eine Identifikation mit dem gesellschaftspolitischen Anspruch der DDR konnte sehr wohl eine Distanz zu eben dieser gesellschaftlichen Realität bewirken, die es dem einzelnen fast unmöglich gemacht hat, die Widersprüche in der DDR als das zu sehen, was sie waren, nämlich antagonistisch.

Das war erst recht möglich, wenn der Ansprechpartner das MfS gewesen ist. Und die Hoffnung, der Sozialismus in der DDR könnte sich doch noch durchsetzen, genauso wie die Gewißheit, daß ein Scheitern total sein würde, und daß es auf lange Sicht keine zweite Chance geben würde, haben dazu geführt, daß immer wieder aufs neue relativiert wurde, der „Feind“ nur draußen gesucht wurde, daß jeder „Abweichler“, jeder „unsichere Kantonist“, auch in der BRD, zu einem Staatssicherheitsrisiko wurde, von dem man möglichst bis hin zur Farbe der Unterhose und den Beischlafgewohnheiten alles wissen sollte. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, soll Lenin mal gesagt haben.

Aber Croissants heutige Argumentation ist armselig, weil sie einfach die Historie der DDR, des realexistierenden Sozialismus außer acht läßt. Weil sie außer acht läßt, was heute an Wissen über die Gründe für das Scheitern des real- existierenden Sozialismus da ist beziehungsweise an Fragen, die endlich diskutiert werden müssen. Und was da im Zusammenhang mit Klaus Croissants Verhalten am wichtigsten erscheint, ist die Erkenntnis, daß wir es zugelassen und akzeptiert haben, daß Vertrauen und persönliche Beziehungen im Grunde überhaupt keinen Stellenwert in einem politischen Kalkül haben. Und für Croissant scheinen sie das immer noch nicht zu haben. Da könnte es tatsächlich recht einsam werden um ihn herum.

Eine andere Frage ist, warum der Kommentator bei seiner bloßen Abrechnung mit Croissant stehen bleibt, und warum er, um seinem Ärger und seiner Wut Ausdruck zu verleihen, die gleiche Draufsicht auf die DDR wählt, wie sie die bürgerliche Presse hat. Dabei kommt es doch vielmehr darauf an, zu einer Identifikation mit dem zu kommen, was die DDR als Versuch, den Sozialismus zu realisieren, gewesen ist, die grundsätzlichen Fragen von innen heraus stellen, trotzdem objektiv, mit einer großen Distanz, um festzustellen, wo nicht nur falsche theoretische Ansätze die Wirklichkeit schlimm gemacht haben, sondern auch wo die Praxis das Denken, den Anspruch pervertiert hat. Wo eine menschliche Gesellschaft unmenschlich werden konnte.

Das hat übrigens überhaupt nichts mit „im Herzen die Fahne der DDR hochhalten“ zu tun, vielmehr etwas damit, von wem ich mir meine Geschichte klarmachen lasse, und es dreht einem einfach den Magen um, daß es wieder den „Siegern“ überlassen bleiben soll. Werner Lotze, Berlin

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