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USA und UNO einig über „Air Jordan“

Butros Ghali unterstützt Luftbrücke für Bosnien/ Clinton unterstreicht begrenzten Charakter der Aktion/ Öffentlicher Druck für Intervention hat nachgelassen  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Noch bevor US-Air-Force-Piloten überhaupt die ersten Nahrungsmittelpakete über bosnischen Städten abgeworfen haben, hat die Operation bereits einen Namen: „Air Jordan“ – eine Anspielung auf das Basketballidol Michael Jordan, der in Bosnien für die USA schlechthin steht. „Der Star spielt auf seiten der Guten mit“, erklärte euphorisch der bosnische Vizepräsident Zlatko Lagumdzija, nachdem bekannt wurde, daß US-Präsident Clinton eingeschlossenen muslimischen Städten im Osten Bosniens mit einer Luftbrücke zu Hilfe kommen will. „Michael Jordan hat das Spielfeld betreten.“ Der Sportler scheint so über Nacht zum Symbol muslimischer Hoffnungen zu werden, wonach die geplante Luftbrücke nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer amerikanischen Intervention ist. Am Dienstag hatte UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali bei einem Treffen mit dem US-Präsidenten sein Einverständnis zu der Luftbrücke gegeben. Die Piloten unterstehen dem US-Kommando, doch die Aktion soll mit dem Hohen Flüchtlingskommissariat der UNO und der „United Nations Protection Force“ abgesprochen werden, die die Hilfskonvois über Land überwachen. Sprecher der US-Administration machten zudem klar, daß die Versorgung aus der Luft lediglich als Ergänzung der Hilfskonvois gedacht ist. Die Bewohner der eingeschlossenen Städte im Osten Bosniens sollen zunächst durch Flugblätter auf die Luftbrücke vorbereitet werden, bevor die ersten C-130-Transportflugzeuge vom US-Luftwaffenstützpunkt Rhein- Main Richtung Bosnien aufbrechen. In Washington wird damit gerechnet, daß Clinton das Startsignal für die Aktion noch in dieser Woche gibt.

Am Dienstag bemühte sich der US-Präsident noch einmal, der Aktion jeden militärischen Anstrich zu nehmen. „Dies ist eine ausschließlich humanitäre Aktion“, erklärte Clinton, die außerdem nur eine begrenzte Anzahl von Flügen erfordern würde. Die Transportflugzeuge werden nicht durch Kampfflieger begleitet. Statt dessen sollen die Hilfsgüter aus einer Höhe von mindestens 1.500 Meter abgeworfen werden. Damit würde zwar das Risiko weitgehend vermieden, unter den Beschuß serbischer Bodenartillerie zu geraten, doch würden gleichzeitig viele der Hilfscontainer weitab von den Zielorten landen.

Die Clinton-Administration reagiert auf solche Einwände mit dem Argument, selbst bei einer hohen Verlustquote der abgeworfenen Hilfscontainer sei den Menschen in den eingeschlossenen Städten schon geholfen. Ganz offensichtlich ist die Luftbrücke auch als Geste an die bosnische Regierung gedacht, um sie dazu zu bewegen, wieder an den sogenannten Friedensverhandlungen unter Leitung des UN-Gesandten Cyrus Vance und des EG-Beauftragten Lord Owen teilzunehmen. Um gleichzeitig im Lager der bosnischen Kroaten und Serben den Eindruck zu vermeiden, man schlage sich auf die Seite der Muslime, wird in der Clinton-Administration erwogen, auch kroatische und serbische Städte und Dörfer aus der Luft zu versorgen.

Der Einsatz der US-Luftwaffe kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der öffentliche Druck in den US-Medien für ein stärkeres militärisches Engagement der USA in Bosnien deutlich zurückgegangen ist. Beobachter schreiben dies unter anderem dem Umstand zu, daß es bislang nicht zu jenem verheerendem Winter gekommen ist, in dessen Erwartung man den Hunger- und Kältetod von Hunderttausenden prognostiziert hatte. Doch inzwischen hat sich das Engagement auf eine andere Ebene verlagert: mehrere Bürger- und Menschenrechtsorganisationen haben sich zusammengeschlossen und gegen den Verhandlungsführer der bosnischen Serben, Karadžić, vor einem New Yorker Gericht auf Schadensersatz in Millionenhöhe geklagt, weil sie ihn für Massenvergewaltigungen, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich machen.

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