■ Sonntag in der Glocke: Schubert als Gigant
Sonntag in der Glocke
Schubert als Gigant
Werktreue Aufführungspraxis: eine großartige Idee, zum Beispiel Bach und Mozart vom überladenen Orchesterklang eines Karajan zu befreien, um ganz neue Töne hörbar zu machen. Aber auch „werktreue“ Interpretationen sind nur eine Interpretation. Ganz anders zeitgenössische Musik: Hier kommt es manchmal zu einer direkten gegenseitigen Beeinflussung von Komposition und Interpretation. Wenn am Sonntag das Alban Berg-Quartett in Bremen auftritt, wird Musik zu hören sein, die tatsächlich in direkter Zusammenarbeit mit dem Quartett entstand, die überdies ihm gewidmet ist: das 4.Streichquartett des Österreichers Erich Urbanner (Jg.'36).
Das Alban Berg-Quartett gehört weltweit zu den renommiertesten Ensembles. Wie sein Name sagt, hat es sich nicht nur der populären (klassischen, romantischen) Quartettliteratur verschrieben. Die Musiker spielen auch die Wiener Schule, Schönberg und Webern, Schnittke, Berio und eben Urbanner.
Auf dem Programm für Bremen stehen neben Urbanner auch Haydns op.77 Nr.2 und Schuberts op. 161. Diese beiden jeweils letzten vollständigen Werke des großen Wiener Klassikers und des Romantikers gehören zu den schönsten und ergreifendsten ihrer Epochen. Haydns Quartett von 1799 vollendet sein kammermusikalisches Schaffen. Im Schubert sieht Günter Pichler, erster Geiger des Alban Berg-Quartetts, bereits einen „direkten Vorläufer von Webern“. Sein letztes Quartett (1826) sei gerade wegen seiner Modernität nie populär geworden, obwohl es „gigantisch und großartig“ sei.
Es bleibt abzuwarten, ob die Musiker die fast 200 Jahre, die zwischen den aufgeführten Werken liegen, in einen Zusammenhang bringen können. Die Interpretationen des Alban Berg-Quartetts sind jedenfalls ein ohne Effekthascherei mitreißendes, für Bremen außergewöhnliches Musikerlebnis.
tk
Glocke, Sonntag, 20 Uhr
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