piwik no script img

Konflikte schaukeln sich gegenseitig hoch

■ Mieter am Kottbusser Tor sind genervt über die Drogenabhängigen

Kreuzberg. Im Treppenhaus riecht es scharf nach Urin, Mülltüten stapeln sich vor den Wohnungstüren, und man muß achtgeben, nicht in Erbrochenes, Menschen- oder Hundekot zu treten. Gerade sind wieder mehrere Glühbirnen kaputt, was den Slalom nicht einfacher macht. In den höheren Stockwerken lassen Mütter ihre Kinder nicht mehr allein aus der Wohnung, damit die Kleinen nicht vielleicht ein Spritzbesteck in den Mund nehmen. Der Aufzug hängt schon tagelang im ersten Stock. Ist die Haustür abgeschlossen, wird sie eingetreten, häufig von Mietern, die keinen Nachschlüssel bezahlen können.

„Vor meiner Wohnung ziehen die regelmäßig 'ne Nummer ab, sogar beim Fixen“, beschwert sich eine Bewohnerin der Admiralstraße 37 am Donnerstag abend bei der Mieterversammlung. „Die haben sogar 'nen Schlüssel vom Haus“, hat ein blondes Mädchen beobachtet. Wachschutz müsse her, fordert ein älterer Mann.

Die Probleme der Mieter hinsichtlich Verdreckung und Drogen hingen mit der Gesamtsituation am Kottbusser Tor zusammen, sagt Jugendstadtrat Helmut Borchardt (SPD). „Das Problem als solches können wir nicht lösen, wir können nur versuchen, durch kleinteilige Maßnahmen die Auswüchse zu bekämpfen.“ Der Bezirk will künftig den Markt öfters säubern lassen sowie eine Toilette errichten.

Die Drogenabhängigen am Kotti sind längst aus allen Bindungen herausgefallen. „Die sind hier, weil sie nirgends anders hinkönnen“, so Borchardt. Der Bezirk wolle für einen Aufenthaltsraum sorgen, in dem auch Beratung und Betreuung stattfinden solle. Einen Druckraum könne man nicht einrichten, da das als Beihilfe zum Drogengebrauch strafbar sei. „Wenn die in so 'nem Raum nicht spritzen dürfen, kommen sie wieder zu uns ins Treppenhaus“, ahnt eine Mieterin.

„Die Probleme in diesem Haus sind fast alle hausgemacht“, findet dagegen Kuno Heintsch, Leiter des Polizei-Abschnitts 53. Mit gutem Willen und regelmäßig geschlossenen Türen sei den meisten schon beizukommen. Zugleich gesteht er zu, daß die Probleme im gesamten Umfeld des Kottbusser Tors herrschten. „Das Drogenproblem ist ein gesellschaftliches Problem. Polizeilich können wir es nicht lösen, wir können es nur verdrängen“, weiß auch Heintsch. Wenn man Drogenabhängige von der Straße oder aus der U-Bahn vertreibe, dränge man sie eben auch in die Häuser.

„In dem Wohnblock wohnen vor allem Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose, Alleinerziehende und Ausländer“, sagt Helga Glockner von der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), die in dem Haus als Sozialhausmeisterin arbeitet. Allein in dem Haus gingen regelmäßig zehn bis zwanzig Fixer ein und aus, in dem Gebäudekomplex, zu dem auch noch eine Tiefgarage und ein Grünanlage gehört, seien es vielleicht achtzig.

Deren zunehmende Verelendung treffe hier auf die Ärmsten der Armen. „Die haben selber keine Perspektive und entwickeln eine latente Aggression gegen den Ort, der sie kaputtmacht. Zusammen mit der Drogenproblematik schaukelt sich das gegenseitig hoch.“ Corinna Raupach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen