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Probeschau mit Ergänzungen

■ Neuen Jury-Bestimmungen zum Trotz bewarben sich Hamburger Künstlerinnen und Künstler am Wochenende an drei verschiedenen Ausstellungs-Orten um Stipendien

Jury-Bestimmungen zum Trotz bewarben sich Hamburger Künstlerinnen und Künstler am Wochenende an drei verschiedenen Ausstellungs-Orten um Stipendien

In vier Ausstellungen von Stipendienbewerbern zeigte sich am Wochenende ein Einblick in die aktuelle Produktion der Hamburger Künstlerschaft. Erstmalig wurden in diesem Jahr nur 20 von 160 Bewerbern zum Hamburg-Stipendium von der Kulturbehörde zur Probeschau eingeladen. In der Halle K3 auf Kampnagel mußten diese sich den Raum mit den Kandidaten für den Aufenthalt in der römischen Villa Massimo teilen.

Die Forderung nach Öffentlichkeit in gewohntem Umfang hatten zudem 27 der nach Mappendurchsicht für Hamburg Ausjurierten programmatisch durch eine eigene Ausstellung unterstützt. Unter dem Titel Ergänzungsabgabe waren so im Künstlerhaus Weidenallee und im Kaifu-Art-Center zwei zusätzliche Ausstellungen zusammengekommen, die ihrem Charakter nach, obwohl durch Los kombiniert, weit weniger zufällig wirkten als die Zusammenballung in der Halle K3.

Auch 1993, so der Eindruck, gibt es keinen überragenden Trend, von Video zu Sandmustern, von ironischen Zitaten der Blumen und Tiermalerei zu Klang-Maschinen und Fotos wird die ganze Bandbreite der Ausdrucksformen benutzt. Wieder bestätigt sich allerdings die Tendenz des Hamburg- Stipendiums, gute Kunst nicht gerade von der Malerei zu erwarten: Nur drei von 21 „Vor-Ausgewählten“ arbeiten entsprechend, bei der Bewerbung für die Villa Massimo und bei der „Ergänzungsabgabe“ sind deutlich mehr Maler und Malerinnen vertreten.

Selbst der in den Hochglanzzeitschriften als neuer Hamburger Designer-Star gelobte Martin Woltermann passierte seltsamerweise die strengen Kriterien der Jury. Thomas Stordel präsentiert Luft, Matthias Berthold möchte eine Denkfabrik errichten und Heike Breitenfeld zeigt eine Auswahl der Kopien von Alltagsgegenständen, die im Medialekatalog so entstellend wiedergegeben waren.

In der „Ergänzungsabgabe“ nutzt Sigi Komorowski den Hausvorteil und macht sein ganzes Atelier zugänglich. Isabel Lleó zeigt archaisierende Kleinbronzen zur Frau-Mann- Thematik und arabische Ornamente in Encaustik. Beate Gröschler setzt aus Elementen der Maya-Schrift ökologische Embleme zusammen, Thom Smith malt und inszeniert die Sonnenbank zum göttlichen Lichtmythos und Uwe Ochsler hat zwei Wortzeilen mit großem Passepartout gerahmt: „Über diesen Satz habe ich lange nachgedacht“ – „Dieser Satz interessiert mich nicht“.

Dem Spiel des Publikums am Wochenende, die Stipendien nach eigenem Gusto zu verteilen, wird die Jury heute ihre ernste Aufgabe folgen lassen. Und dabei wird sie auch die zusätzlichen Ausstellungen nicht außer Acht lassen.

Die subjektive Hitliste des Autors nach Ansicht aller drei Präsentationen vom Wochenende sieht wie folgt aus: Inge Priess mit ihren abseitigen Hieronymus-Bosch-Gesichtern, Georg Krefeld mit seinem geschlachteten heraldischen Löwen, Andreas Oldörp mit seiner Gasorgel sowie Marlene Günther mit der Umsetzung von Federarbeiten der Amazonasindianer zu farbstarker konstruktiver Malerei, Dagmar Rauwald mit tiefgründiger Ölmalerei, Harald Preusse mit seinem seit über zehn Jahren konsequent durchgehaltenem minimalistischen Häuser-Konzept und Schröder mit ihrem im Maßstab eins zu eins vergrößerten allegorischen Riesenfoto Tableau 3: Arbeitsstoff aus der „Ergänzungsabgabe“. Hajo Schiff

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