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Kennen Sie Burkina Faso?

Dritte-Welt-Partnerschaften sind in West-Bezirken an zwei Fingern abzuzählen: Was in Reinickendorf von oben herab wuchs, kam in Kreuzberg auf Druck von unten zustande  ■ Von Bert Hoffmann

Berlin. „Verzeihung, kennen Sie Burkina Faso?“ Die Antwort ist freundlich: „Wen bitte?“ – Nein, auch hier vor dem Rathaus Reinickendorf erhält man auf die Frage nach dem westafrikanischen Staat mit dem ungewohnten Namen nicht unbedingt überzeugendere Antworten als anderswo auch. Aber zweifelsohne hat man bessere Chancen: Denn seit gut sechs Jahren unterhält Reinickendorf eine rege Zusammenarbeit mit Burkina Faso. Erst letzten Monat sind 20 Jugendliche zurückgekommen, die in Bokin, einer kleinen Wüstenstadt im Norden des Landes, fünf Wochen lang gelebt haben. Die Renovierung der Entbindungsstation stand auf dem Programm; und Fotos zeigen nicht nur das „Vorher“ und „Nachher“ ihrer Arbeit, sondern vor allem die Begegnung der Reinickendorfer Jugendlichen mit den Burkinaben, beim Volleyball-Spielen und beim Trommeln, beim Essen und beim gemeinsamen Arbeiten.

Reinickendorf und Kreuzberg sind die beiden einzigen West-Bezirke, die auf kommunaler Ebene seit mehreren Jahren eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit einem Partnerort in der Dritten Welt organisiert haben. Schon in ihrer Entstehung unterscheiden sich beide jedoch erheblich. So ist in Reinickendorf der „Förderkreis für Burkina Faso“ quasi aus dem Bezirksamt heraus gegründet worden, „von oben“ sozusagen, als Teil der Jugendförderung und des Programms internationaler Begegnungen des Bezirks. Sein gegenwärtiger Vorsitzender, Wolfgang Brennecke, ist gleichzeitig Jugendstadtrat des Bezirks. Und in dem Förderkreis finden sich Mitglieder aller Parteien, von der AL bis zur CDU (außer den Reps).

In Kreuzberg hingegen entstand die Städtepartnerschaft mit der nicaraguanischen Gemeinde San Rafael del Sur auf Druck von unten – und nicht ohne politische Konflikte im Bezirk. Denn als sich Mitte der 80er Jahre eine Initiative dafür starkmachte, war deren Motivation vor allem eine politische: Es ging um praktische Solidarität mit der sandinistischen Revolution. Und nicht zuletzt wollten die insgesamt rund 40 Städtepartnerschaften mit Nicaragua, die in der (alten) Bundesrepublik entstanden, auf der bezirklichen Ebene auch Zeichen setzen gegen eine Bonner Politik, die sich ins Schlepptau von Reagans „anti- kommunistischen Feldzug“ gegen Nicaragua hatte nehmen lassen. Weil die Kreuzberger Initiative ihr Engagement in der 3. Welt von Anfang an auch als Einmischung in die politischen Angelegenheiten hierzulande verstand, blieb Streit im Bezirk nicht aus. Das Verhältnis etwa der CDU zu der Partnerschaft blieb – um es vorsichtig zu sagen – kühl. (Die Wahlniederlage der Sandinisten vor drei Jahren hat hier zu einer spürbaren Entspannung geführt...)

Während der Bezirk Kreuzberg seit 1986 ganz offiziell „Partnerstadt“ von San Rafael del Sur ist, hat man in Reinickendorf eine Konstruktion unterhalb dieser Ebene gefunden. Der vor zwei Monaten in Burkina Faso geschlossene „Freundschaftsvertrag“ ist auf Reinickendorfer Seite vom „Förderkreis e. V.“, nicht vom Bezirksamst unterzeichnet; und auch auf der Seite Burkina Fasos ist nicht der Präfekt oder die lokale Regierung der offizielle Vertragspartner, sondern ein „Partnerschaftskomitee“. In ihm sind neben Regierungsfunktionären auch die traditionellen und religiösen Autoritäten des Ortes vertreten sowie auch die lokale Nicht-Regierungs-Organisation „Sahel Solidarité“, über die die praktischen Hilfsprojekte organisiert werden. „Uns geht es ja nicht darum, daß irgendwo das Wort ,Städtepartnerschaft‘ auf den Fahnen steht, sondern um das, was dabei herumkommt“, meint Ingrid Bethke, die beim Reinickendorfer Bezirksamt für internationale Begegnungen zuständig ist. „Und damit fahren wir bislang wunderbar.“

Bislang haben die Reinickendorfer verschiedene Hilfsprojekte in Burkina Faso unterstützt, vom Gemüseanbau bis zum Gesundheitszentrum und zwei Tiefbrunnen, die mit Zuschüssen des Senats und des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit finanziert werden konnten. Doch während die Kreuzberger „Stäpa“ sich auch – erfolgreich – an großdimensionierte Projekte zur Wasserversorgung in der Partnerregion gewagt hat, steht für die Reinickendorfer nicht die materielle Hilfe im Vordergrund, sondern die Jugendarbeit. Und damit diese internationalen Begegnungen keine Einbahnstraße sind, sollen dieses Jahr auch sieben Gäste aus Burkina Faso eingeladen werden.

Doch in dieser Woche kam Post aus Bonn auf den Tisch, daß der Bund für diesen Austausch keine Gelder geben könne. „Das müssen wir jetzt aus den Mitteln des Bezirks aufbringen“, stöhnt Ingrid Behnke. „Dafür müssen dann andere internationale Begegnungen mit unseren Partnerstädten in Frankreich, England und Israel gestutzt werden – und das ist ja natürlich auch nicht wünschenswert.“

Die Kreuzberger bekommen die knapper werdenden Finanzen ebenfalls zu spüren – zur Zeit in Form eines ins Groteske gehenden Hin und Hers darüber, ob Bezirksbürgermeister Peter Strieder (SPD) nun zu einem Besuch in die nicaraguanische Partnergemeinde reist oder nicht. Ursprünglich war dies für April vereinbart, doch Strieder blies im Januar dann die Reise ab: ein solches Engagement in der Ferne sei „nicht vermittelbar“, er würde automatisch als „Luxuspolitiker“ abgestempelt werden (die taz berichtete). Vom Tagesspiegel wurde er dafür in einem Kommentar in höchsten Tönen gelobt; Strieder tue gut daran, sich seinem Bezirk zu widmen, und das „Herumgenschern“ der Bezirkspolitiker in aller Welt sei eh eine Unsitte. Inzwischen jedoch stehen die Zeichen wieder auf einen Besuch Strieders. Der Botschafter von Nicaragua habe ihn noch einmal nachdrücklich eingeladen und unterstrichen, wie notwendig ein solcher persönlicher Besuch ist. So will Strieder nun doch „nach Möglichkeit noch dieses Jahr nach San Rafael reisen“, allerdings „unter der Bedingung, daß das keine große Delegation wird“. „Dann kann ich halt ein Jahr lang nicht nach Ingelheim oder Porta Westfalica oder andere Partnerstädte des Bezirks fahren“, so Strieder. Aber nicht zuletzt durch das Gespräch mit dem Botschafter sei ihm klar geworden, daß „die Bedeutung dieser Partnerschaft für Nicaragua einfach sehr viel höher ist als für eine Gemeinde anderswo.“

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