Jüdischer Friedhof wieder in Gefahr?

■ Sorge um Grabstätten in Weißensee: CDU und SPD wollen Entlastungsstraße/ Friedhofstraße als „allerletzter Schritt“

Weißensee. Droht dem Jüdischen Friedhof Gefahr durch die neuesten Verkehrsplanungen von SPD und CDU? Ein jetzt von beiden Parteien gemeinsam eingebrachter Antrag im Abgeordnetenhaus fordert den Senat auf, die beiden Teilstrecken der Hansastraße und der Arthur-Becker- Straße (Kniprodestraße) zu verbinden. Begründung: Um die Berliner Allee in Weißensee und die Konrad-Wolf-Straße in Hohenschönhausen zu entlasten, solle die in den dreißiger Jahren abschnittsweise angelegte Achse Hansastraße/Kniprodestraße/Am Friedrichshain als Hauptverbindung der Bezirke fertiggestellt werden. Auf derselben Achse liegt jedoch auch der nördliche Abschnitt des Jüdischen Friedhofs.

Obwohl es in dem Antrag heißt, die Hauptverbindung sei „auch unter südlicher Umgehung“ des Friedhofs „vorstellbar“, befürchten FDP und Bündnis 90/Grüne eine Beeinträchtigung des Geländes. Der verkehrspolitische Sprecher der FDP, Axel Kammholz, wertete den Vorschlag als „in der Konsequenz einen Angriff auf den jüdischen Friedhof“, der nur zu „schwerwiegenden Mißverständissen zu Lasten Berlins“ führe. Zudem sei die südliche Umfahrung mangels ausreichender Fläche nicht möglich. Der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grünen, Michael Cramer, forderte die SPD und CDU auf, den Antrag „umgehend zurückzuziehen“. Im Kern bedeute er die Zerstörung des Friedhofs, da weder eine Süd- noch eine Nord-Umfahrung möglich sei.

Der CDU-Abgeordnete Hans Müller aus Hohenschönhausen, der den Antrag im Abgeordnetenhaus begründet hatte, wies die Angriffe gegenüber der taz zurück. Es werde alles daran gesetzt, die Süd- Umfahrung zu ermöglichen. Sollte dies allerdings nicht möglich sein, müsse das „Problem neu angedacht werden“. Dabei seien Verhandlungen mit der Jüdischen Gemeinde über eine Trassenführung als „allerletzten Schritt“ denkbar, so Müller zur taz. Ein Ansinnen, das der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Reiner B. Giesel, gestern weit von sich wies: „Solange ich den Arbeitskreis Verkehr in der CDU leite, wird das nicht laufen.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Fechner, betonte, aus dem Antrag gehe eindeutig hervor, „daß Ehrfurcht und Respekt vor den Toten“ andere Verkehrsführungen notwendig machten — etwa die südliche Umfahrung.

Um den jüdischen Friedhof hatte es bereits zu DDR-Zeiten heftige Auseinandersetzungen gegeben, die weltweit Aufsehen erregt hatten. Schon damals sollte über den Friedhof eine sogannnte Entlastungsstraße gelegt werden. Erst nachdem sich der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, bei Honecker beschwert hatte, stoppte der Magistrat den geplanten Bau. Severin Weiland