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Gefäße der Utopie

■ Walter Filz' Tupperparty im Radio

Walter Filz hat in einem früheren Feature bewiesen, daß man zur Analyse eines Katzenfutter-Werbespots logisch zwingend Stalin, Steffi Graf, Madonna und Sokrates einbeziehen muß (Titel: „Wolfsmilch und Königswasser – zur Ästhetisierung des Katzenfutters im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert“).

In „Kein Requiem für Captain Kirk – über die Beharrlichkeit der Zukunft von gestern“ hat er belegt, daß das heutige U-Bahn-Fahren schon das Versprechen des „Beamens“ in sich trägt, es gewissermaßen schon ist.

Mit seiner neuen Produktion hebt er an, die Utopie zu retten. „Ach wär die Welt doch ganz vertuppert“ beschreibt die utopische Kraft der Frischhaltung mittels Tupperware, jener Polyäthylendosen, die auf so knollige Namen wie Heinerle (die Deckeldose), Goldquell (die Saftkanne) oder Rumpelstilzchen (der Schüttelbecher) hören.

Wer die Utopie, die aus der Küche kam, geringschätzt, sollte sich vergegenwärtigen, was aus den Utopien geworden ist, die aus den Schreibstuben gekommen sind.

Mit O-Tönen von Tupperpartys, dem Tupperwareberaterinnenlied, der Zauberflöte und Disneys Zwergensong aus Schneewittchen verfolgt Walter Filz die Geschichte dieser Dosen von ihrer chemischen Zusammensetzung, bis zu ihrer Ästhetik. „Es fühlt sich an wie Jade, aber zugleich erinnert es an Alabaster und Perlmutt“, preist 1947 eine US-Frauenzeitschrift den Kunststoff. Im Zentrum seines Interesses aber steht die gemeinschaftsstiftende Kraft und die ritualisierte Vermittlung spezifisch weiblichen Wissens. Alle zwei Sekunden findet irgendwo eine Heimvorführveranstaltung (Tupperparty) statt.

Walter Filz entwirft dennoch keine Verschwörungstheorie, sondern interessiert sich für Design und Kommunikation, für das Scheitern der sozialistischen Utopie am und als Designproblem (Plaste und Elaste!), für männliche und weibliche Geschichte.

Denn: „Die Welt hat einen Grad von Komplexität erreicht, der nicht mehr objektiv allgemein, sondern nur mehr subjektiv individuell vermittelt werden kann. Das heißt: an die Stelle der Bedienungsanleitung tritt die mündliche Erzählung. An die Stelle des Berichts das Ritual. An die Stelle des Logos der Mythos. An die Stelle der Telefonbestellung die Tupperparty.“

In Japan ist man inzwischen so weit, daß Hemden, Krawatten, Socken und Unterhosen eingetuppert werden – griffbereit in Tagesportionen. Tupperware ist so komplex, daß man davon eigentlich nur noch erzählen kann. Filz' Fazit: „Tupperware ist der Behälter des Fortschritts, das Gefäß der Utopie, die Form der Zukunft. Tupperware ist der Beweis, daß die Welt in eine Form paßt und daß die Form in allen Kulturen gleich ist.“ Jochen Meißner

Walter Filz: „Ach wär die Welt doch ganz vertuppert – von der utopischen Kraft der Frischhaltung“, DS-Kultur, 15.35 Uhr

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