: Länder ran an die Umsatzsteuer!
■ Die Ministerpräsidenten wollen dem Bund sieben Prozent von der Umsatzsteuer abnehmen / Kleinster gemeinsamer Nenner: 15 Milliarden Mark zusätzlich für die neuen Länder / Zehn-Milliarden-Sparpaket
Potsdam (taz) – Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer zeigten sich am Ende ihrer zweitägigen Beratungen über den Solidarpakt einmütig. Gegenüber dem Bund fordern die Länder eine Neuverteilung der Umsatzsteuer zu ihren Gunsten. Der Anteil der Länder soll sich um acht Prozent von 37 auf 45 Prozent erhöhen.
18 Milliarden zusätzlich hatten die neuen Bundesländer ab 1995 gefordert, wenn sie erstmals in den Länderfinanzausgleich miteinbezogen werden. Daß die neuen Länder einen Mehrbedarf von 15 Milliarden Mark haben, wurde in Potsdam einhellig anerkannt. Eine verbindliche Zusage für diese Gelder blieb jedoch aus. „Die 15 Milliarden jetzt schon festzulegen, dazu bestand keine ausreichende Grundlage“, räumte der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) bei der abschließenden Pressekonferenz ein. Es müsse noch „eine Fülle von Nacharbeiten“ erledigt werden, auch „über den 11. März hinaus“. Biedenkopf warnte vor der Erwartung, daß die Solidarpakt-Gespräche mit dem Kanzler und der SPD am 11. und 12. März schon den Durchbruch bringen.
Die veränderte Verteilung der Umsatzsteuer brächte den Ländern 20 Milliarden Mark mehr in die Kassen. Diese höheren Steuereinnahmen sollen den Übergang der neuen Länder in den Länderfinanzausgleich abfedern, erläuterte der sächsische Finanzminister Georg Milbradt gegenüber der taz. „Dies ist auch psychologisch für den Einigungsprozeß ganz wichtig, weil es sich bei diesen Geldern nicht um Zuweisungen von dritter Stelle handelt, sondern um ,eigene Steuern‘, die man durch die Art der Steuerverteilung erhalten hat.“ Milbradt sagte weiter, man habe sich in Potsdam zwar über das System des Länderfinanzausgleichs geeinigt, aber noch nicht über konkrete Zahlen.
Immerhin konnte der Streit zwischen den alten Bundesländern über den Länderfinanzausgleich beigelegt werden. Eine volle Abschöpfung der Steuerkraft, durch die sich Hessen und Baden-Württemberg benachteiligt sahen, wird es nicht mehr geben, statt dessen eine progressive Abschöpfung.
Um eine klare Aussage zum Thema Solidaritätszuschlag mogelten sich die Länderchefs herum. Zwar hieß es euphemistisch, „Einnahmeverbesserungen“ seien notwendig, aber über „Höhe, Zeitpunkt und Art“ der Steuererhöhungen soll noch mit der Bundesregierung verhandelt werden. Alle Länder seien sich einig, daß eine Steuererhöhung noch vor 1995 notwendig sei, erklärte Brandenburgs Landeschef Manfred Stolpe– eine Formulierung, die den Dissens darüber verschleiert, daß einige Länder schon das Jahr 1993 ins Auge fassen.
Die Ministerpräsidenten befürworten einhellig eine Aufstockung des Fonds Deutsche Einheit um zusätzliche 3,7 Milliarden für 1993 und 10,7 Milliarden 1994. Dies geht zwar noch über den Betrag hinaus, den die FinanzministerInnen im Vorfeld des Treffens gefordert hatten, darin sind aber Versprechungen und Zusagen, die bereits in den vergangenen Wochen gemacht wurden, schon enthalten. „Der Nettoeffekt ist geringer, aber natürlich würde uns das ein Stück weiterbringen“, sagte Finanzminister Milbradt. Erfreulich sei, daß die alten Länder sich nun bereit erklärt hätten, einen Anteil von 3,5 Milliarden Mark zu übernehmen.
Immerhin haben die FinanzministerInnen in Potsdam Einsparmöglichkeiten in Höhe von knapp zehn Milliarden Mark errechnet. Im Föderalen Konsolidierungsprogramm sollen u.a. 6,8 Milliarden durch den Abbau von Steuervergünstigungen gewonnen werden. Der Bundesregierung werden die Länder eine Liste mit weiteren Sparvorschlägen unterbreiten, die sich zugunsten des Bundes auswirken. Allein von der Anhebung der Versicherungssteuer verspricht man sich vier Milliarden, von der Anhebung der Vermögenssteuer eine weitere Milliarde. Die Länder könnten zudem 1,2 Milliarden jährlich sparen, wenn sie das 13. Schuljahr abschaffen. Doch diese Entscheidung sollte nicht im Rahmen des Solidarpaktes, sondern beim Bildungsgipfel im Frühherbst fallen, meinte Biedenkopf.
Der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) machte deutlich, daß die Länderchefs die Kürzungen bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht hinnehmen wollen. Allerdings bleibt unklar, wie eine aktive Arbeitsmarktpolitik finanziert werden kann. Über eine Arbeitsmarktabgabe für Beamte und Selbständige, wie sie die SPD fordert, konnte keine Einigung erzielt werden.
Zur Frage, wie die Pflegeversicherung und der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu finanzieren sind, drangen die Länderchefs gar nicht mehr durch. Bei der Bahnreform lehnen sie nach wie vor eine Regionalisierung ohne volle Kostenerstattung durch den Bund ab. Außerdem soll der Bund im Grundgesetz dazu verpflichtet werden, von ihm zu Lasten der Länder erlassene Gesetze mitzufinanzieren. Dorothee Winden
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