: Bildung mißt sich an Wirtschaftsbedürfnissen
■ Heute Anhörung zur Hochschulreform/ Wegen fehlenden Geldes und des Zuschnitts auf die Bedürfnisse des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ droht reine Sparreform
Berlin (taz) – Alle wollen zum Kanzler, aber der hat noch keinen Termin. Das ist der Stand vor dem für Sommer geplanten Bildungsgipfel, den heute eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit einer Expertenanhörung vorbereitet. Doch während Professoren, Studenten und Standesvertreter noch versuchen, ein Wörtchen beim bildungspolitischen Spitzengespräch mitreden zu dürfen, steht dessen Grundlage bereits fest: die Ausbildungsbedürfnisse des „Wirtschaftsstandortes Deutschland“. Der hat bei der Bundesregierung nach ihrem letzten Beschluß zur Bildungsreform im Februar höchste Priorität.
Die Essentials der von Kanzler und Ministerpräsidenten eingesetzten Arbeitsgruppe sind unumstritten: Ausbau der Fachhochschulen (FH), Zweiteilung des Universitätsstudiums und vor allem die Verbesserung der Lehre. Aber wegen der Finanznöte droht eine reine Sparreform.
„Wir stehen mit dem Rücken in der Wand“, beschreibt Gerd Köhler von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) jüngst die Situation. GEW und Hochschulrektorenkonferenz haben den Runden Tisch ins Leben gerufen, um unabhängig vom Staat über die Studienreform zu sprechen. Die Beteiligten zielen aber auf den Bildungsgipfel. „Wir wollen da mit rein“, sagt ein GEWler. Der Essener Ökonomieprofessor Klaus Klemm meint, „daß die Zukunft von Bildung nicht kostenneutral zu gestalten ist“. Die Bildungsausgaben müßten wieder auf den Stand von Mitte der siebziger Jahre gebracht werden: Das wären drei bis vier Milliarden Mark mehr pro Jahr.
Kritik trifft vor allem die Reformpläne für die Lehre. Bund und Länder wollen die Dekane stärken, die Leiter der Fachbereiche. Sie sollen ihre Kollegen am Katheder überwachen. „Da wird keiner mehr Dekan“, kommentiert Klemm. „Didaktische Professionalität müssen die Professoren erst mal entwickeln“, meint Johannes Wildt vom Hochschuldidaktischen Zentrum in Bielefeld. Vorher bräuchte es mehr Personal. Außerdem müsse über andere Lehr- und Lernformen nachgedacht werden. Tutorien und Projektstudien hießen hier die Stichworte.
Die Finanzquerelen machen die heutige Anhörung im Bonner Wissenschaftszentrum zur Makulatur. „Wenn nicht über Geld gesprochen wird, dann gehen wir da gar nicht hin“, lautet die Devise der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Anke Brunn zum Bildungsgipfel. Schon in zwei Wochen soll aber beim Föderalen Konsolidierungsprogramm definitiv das letzte Mal über Geld gesprochen werden. An den darin festgezurrten Finanzplänen werde der Bildungsgipfel nichts mehr ändern, steht im Solidarpakt. Ohne Geld keine Studienreform, heißt dagegen die Marschroute von Ländern und Wissenschaftsorganisationen.
Der Ausweg aus dieser verfahrenen Situation heißt Ausbau der Fachhochschulen auf Kosten der Universitäten. Wenn die Unis nicht parieren, können „Stellen und Mittel für die Fachhochschulen verwendet werden“. So steht es im ersten Papier der Arbeitsgruppe.
Die Studenten haben Finanz- und Terminnöte mittlerweile satt. „Den eigentlichen Bildungsgipfel machen wir selbst“, sagt Thomas Molck von der FKS, und zumindest von der Terminlage her hat er recht. Die StudentInnen treffen sich von 2. bis 6. Juni zu ihrem Bildungsgipfel. Christian Füller
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