: Please, hold the line!
■ Seit Anfang März Telefonauskunft auch in Berlin per Computer / Teilautomatisierte Telefonauskunft soll Wartezeiten verkürzen und Geld bringen
Berlin. Seit der Computer Einzug gehalten hat ins Leben der zivilisierten Menschen, ist nichts mehr, wie es war. Gewiß, der vielfach arbeitserleichternde Charakter des Geräts ist unbestritten, doch von Zeit zu Zeit offenbart sich der Preis dieser Leistung: Der Computer beraubt die Leute ihrer kleinen Freuden. Nehmen wir die Telefonauskunft: Seit sich der Computer auch zum Herrn über die Fernsprechzentren aufgeschwungen hat, gibt es keine Chance mehr für einen Plausch mit dem Fräulein vom Amt. Statt dessen erteilt eine Automatenstimme Auskunft, zuverlässig zwar, doch mit dem Charme der Zeitansage.
Wer jetzt die 01188 wählt, hat nur noch zu Beginn des Gesprächs mit einer menschlichen Stimme am anderen Ende der Leitung zu tun. Die erkundigt sich nach dem Namen des gesuchten Teilnehmers und setzt anschließend ein rechnergestütztes System in Gang, das die Nummer aus dem Computer heraussucht. Die Computerstimme teilt schließlich auch die Durchwahl des Teilnehmers mit. Seit Anfang März sind die Berliner Auskunftsstellen mit der entsprechenden Technik und Software ausgerüstet, im Bundesgebiet hat die Telekom größtenteils schon im vergangenen Jahr umgestellt.
Mit der „teilautomatisierten computerunterstützten Telefonauskunft“ (Fachbezeichnung) wollen die Postler die Wartezeit der Kunden reduzieren und vor allem Geld verdienen. Bislang nämlich war der Auskunftsdienst ein reines Zuschußgeschäft. Während den Anrufer eine Auskunft lediglich eine Einheit, also 23 Pfennig kostet, schlägt sie bei der Telekom wegen der hohen Personalkosten mit rund 2,50 Mark negativ zu Buche. „Das hat sich enorm summiert“ sagt Waldemar Czauderna, Sprecher der Telekom-Zentrale in Bonn. Allein in Berlin werden pro Monat rund eine Million Auskünfte erteilt.
Die Post verspricht sich von dem neuen System, daß die Leute öfter bei der Auskunft anrufen – der Computer kann immer nur eine Nummer mitteilen. Czauderna tadelt ohnehin „die Gewohnheit der Leute, immer mehrere Nummern auf einmal abzurufen“. Vor allem deshalb seien die Leitungen ständig belegt.
Die Information des Sprechers, nach der Ansage sei der Anruf automatisch beendet, ist allerdings falsch. Dreimal knarzt die Automatenstimme die Nummer einschließlich Vorwahl aus der Muschel, danach folgt ein wichtiger Hinweis: „Falls sie weitere Auskünfte wünschen, bleiben sie bitte am Telefon.“ Wer also noch eine Nummer braucht oder mit der genannten Auskunft nicht zufrieden ist, sollte am Hörer verharren: Er wird automatisch ins Amt zurückgestellt, was keine weitere Einheit kostet, solange der Sechs-Minuten-Takt nicht überschritten wird.
Für denjenigen, der weiterhin das traute Gespräch mit dem Fräulein vom Amt suchen will, gibt es nur eine Möglichkeit: Er muß den Eindruck erwecken, in Not zu sein. Waldemar Czauderna sagt, daß die Mitarbeiter der Auskunftstellen angewiesen sind, flexibel auf die Anrufe zu reagieren. Wenn jemand Mühe habe, sich zu artikulieren oder sich offensichtlich in einer verzweifelten Situation befinde, bleibe der Computer ruhig: „Da lassen wir lieber die Menschen miteinander sprechen.“ Holger Gertz
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