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: Mehr Croissant

0137-Interview mit Croissant, premiere, 7.3., 19.30 Uhr

Die Geschichte von Klaus Croissant liest sich wie die traurige Biographie eines alt gewordenen Popstars. Croissant verhält sich zu Che Guevara etwa so wie Alvin Lee (jetzt bei Peter Maffay) zu Sid Vicious. Das mag zwar feuilletonistisch und blöde klingen, ist aber in einer Kulturszene, die Baader, Meinhof, Klar und Raspe längst als Popikonen akzeptiert hat, nicht ganz von der Hand zu weisen.

Die Hippieanalogie wurde mit größter Selbstverständlichkeit von dem premiere-Interviewer übernommen. Gänzlich wertfrei sprach er von einer Art Tiefpunkt in der Karriere des berühmten Justitiars, den dieser mit seiner Instrumentalisierung als „minderwertiger“ (Stasi- Jäckel) „Abschöpf-Kontakt“ erreicht hätte. Die diversen Rachegelüste, an denen die Bundesanwaltschaft noch am Prozeßende festhielt, schienen dem Interviewer dann auch nicht so sehr die Gemeinheit des Staats zu entlarven, sondern eher ein Beleg zu sein für die aktuelle Irrelevanz des Ex-Stars, der 1977 als weltweit anerkannter Held des politischen Kampfes seine größten Hits hatte. Begeistert schauten Millionen auf das Foto, das ihn im grauen Stammheimer Herbst neben Sartre auf dem Weg zu Baader zeigte, bangten um sein vom derzeitigen französischen Außenminister Dumas verteidigtes Exil und haßten Helmut Schmidt, der persönlich bei Giscard d'Estaing anrufen mußte, auf daß Croissant ausgeliefert wurde. Schön war die Zeit, als gut und böse so klar waren. Daß der Popstar sich in den 80ern dann neben manisch strickende grüne Onkels und Tanten setzte, schien damals schon Taktik und Notform des Überlebens. Die Hits wurden rar.

Manchmal stolz wie Honecker, sprach nun ein älterer, immer ein wenig unsicher lächelnder Herr „mit festen sozialen Bezügen“, von den letzten Resten der Nähe zur Macht: damals, 1990, als er neben Dumas und Genscher stand und dem Franzosen eine Note gegen die Einverleibung der DDR übergab. Da hätte er Genscher „gegen's Schienbein treten können“. Ein schöner letzter Schlag wär das gewesen gegen's Schweinesystem. Das Interview war schön und kurzweilig; doch Croissant hätte, wenn nicht eine TV-Serie, so doch zumindest ein längeres Feature verdient. Was man von denen, deren Profil er gezeichnet haben soll, nicht sagen kann. Detlef Kuhlbrodt