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Islamisten in Kairo vor Gericht

■ 49 mutmaßliche Attentäter vor einem ägyptischen Militärtribunal/ Anklage auch wegen Angriffen auf TouristInnen/ Mitglieder der „Gamaat Al-Islamiya

Kairo (taz) – Mit Pauken und Trompeten begann diese Woche in Kairo der Prozeß gegen 49 Mitglieder der ägyptischen militant-islamistischen Gruppe „Gamaat Al- Islamiya“. Der seit Dienstag vor dem Obersten Militärgericht unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindende Prozeß gilt als ein Schauprozeß gegen die in den letzten Jahren in Ägypten immer aktiver werdenden militanten Islamisten. Über 200 Journalisten wohnten der ersten Sitzung bei.

Die Angeklagten, von denen sechs flüchtig sind, werden vom Militärankläger des Mordes, der Anstiftungen zum Mord, des illegalen Waffenbesitzes und terroristischer Aktionen beschuldigt. In acht Fällen sollen sie auch für Angriffe auf Touristenbusse und Nilkreuzschiffe verantwortlich sein, bei denen letztes Jahr eine britische Touristin ums Leben kam.

Die Angeklagten scheinen sich der Atmosphäre des Schauprozesses angepaßt zu haben. Ihr Sprecher verlas am ersten Prozeßtag eine Erklärung, in der die Angeklagten ihre Zugehörigkeit zu den Gamaat Al-Islamiya zugaben und Scheich Amr Abdel Rahman als ihren Führer bezeichneten. Der gegenwärtig in den USA lebende Abdel Rahman war in den letzten Tagen in der Weltpresse auch als ein möglicher Hintermann im Zusammenhang mit dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center gehandelt worden.

In der Stellungnahme machen die Angeklagten die Gamaat Al- Islamiya auch verantwortlich für die Ermordung des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Anwar el- Sadat, des ehemaligen Parlamentspräsidenten Rifaat Mahgoub, des Schriftstellers Farag Fodas und für ein mißglücktes Attentat auf den ehemaligen Innenminister Zaki Badri. Die Anschläge auf Touristen, heißt es in der Erklärung, seien eine Reaktion auf Festnahmen, Folter und physische Vernichtung von Mitgliedern der Gamaat. „Die Gamaat werden ihre Pläne fortsetzen, solange die Regierung die Gefangenen nicht freiläßt und einen Dialog mit den Gamaat beginnt“, schließt die Erklärung.

Bei den ausschließlich jungen männlichen Angeklagten im Alter von 20 bis 25 Jahren handelt es sich um eine Art „sozialen Cocktail“. Einer der Angeklagten ist ein Ingenieur, drei praktizierten als Anwälte, drei sind Beamte, 16 Handwerker, elf studieren, und 15 sind arbeitslos.

Einige der 20 Anwälte bezeichneten die Abhaltung des Prozesses vor dem Obersten Militärgericht, bei dem eine Revision ausgeschlossen ist, als verfassungswidrig und forderten weitere Akteneinsicht. Der Prozeß wurde auf nächsten Samstag vertagt.

Nach einer Interpretation des ägyptischen Verfassungsgerichtes ist es möglich, Prozesse gegen Zivilpersonen in passend erscheinenden Fällen, beispielsweise zur Beschleunigung, dem Obersten Militärgericht zu überstellen. Eine endgültige Entscheidung über diese Interpretation steht allerdings noch aus. Bisher hing eine Überstellung der Angeklagten an ein Militärgericht immer von der Art der kriminellen Tat ab. Nun ist es der Regierung weitgehend möglich, die zivile Judikative mit ihren langen Prozessen und Revisionsverfahren zu umgehen. Der jetzt vor dem Obersten Militärgericht angesetzte Prozeß soll nur einen Monat dauern, und einige der Angeklagten müssen mit der Todesstrafe rechnen.

Unterdessen geht die Auseinandersetzung zwischen Staat und militanten Islamisten auch außerhalb des Gerichtssaales weiter. Vor zwei Tagen wurden sieben Islamisten in der südägyptischen Stadt Assuan von der Polizei erschossen. Die Polizei wollte eine Moschee nach mutmaßlichen Attentätern durchsuchen, die letzten Samstag zwei Polizisten vor einer Kirche in Assuan niedergeschossen hatten. Als die Islamisten nach Angaben der Polizei Brandflaschen gegen die Polizisten schleuderten, eröffneten diese das Feuer. Und gestern, einen Tag nach Prozeßbeginn, kam es in einem Viertel in Kairo zu Schießereien zwischen Polizei und Islamisten, während denen ein Polizist erschossen und sieben Islamisten verletzt wurden. Karim El-Gawhary

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