: UNO sucht 166,5 Millionen Dollar für Somalia
■ Somalia-Hilfskonferenz beginnt heute in Addis Abeba/ Wie groß ist der Hunger?
Berlin (taz) – In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba beginnt heute eine dreitägige Konferenz über die humanitäre Hilfe für Somalia. Das Treffen wird von den Vereinten Nationen organisiert; erwartet werden die wichtigsten Geberländer und viele somalische Organisationen und Gruppen. Die UNO wird einen Plan vorlegen, der die Sicherung der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung umfaßt und den Bau von 15 Krankenhäusern wie auch die Repatriierung der 800.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus den Nachbarländern Kenia, Äthiopien und Dschibuti vorsieht. Sie hofft, für diese Vorhaben 166,5 Millionen Dollar zugesagt zu bekommen.
Ursprünglich hatte der UNO- Koordinator für die Somalia-Hilfe, Philip Johnston, einen umfangreicheren Wiederaufbauplan erarbeiten lassen, der im Februar der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und einen Finanzbedarf von 253 Millionen Dollar für das Jahr 1993 umfaßte. Darin waren auch die Kosten einer Neuerrichtung des Schul- und Polizeiwesens eingeschlossen. Die Kosten für Flüchtlingshilfe waren auf 92,2 Millionen Dollar bemessen worden, für Lebensmittelspenden waren 41,2 Millionen vorgesehen. Der jetzt vorgelegte Plan beschränkt sich demgegenüber strikt auf humanitäre Aufgaben. Er wird der UNO einen Rahmen für die Sicherung der humanitären Hilfe liefern, wenn sie am 1. Mai das Somalia-Oberkommando von den USA übernimmt. Jan Elliasson, UNO-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten, betonte letzte Woche, noch immer seien zwei Millionen Somalier vom Hungertod bedroht; 4,5 Millionen Menschen benötigten Unterstützung, die über reine Nahrungshilfe hinausgeht.
Diese Äußerung ist erstaunlich, da die Zahl von zwei Millionen hungertodbedrohten Somaliern im vergangenen Herbst den Anstoß für die im Dezember begonnene US-geführte Militärintervention gegeben hatte und sich die Ernährungslage inzwischen eigentlich verbessert haben sollte, wie auch der jüngste Somalia-Bericht von UNO-Generalsekretär Butros Ghali konstatiert. Robert Houdek vom US-Außenministerium sagte Mitte Februar, in Baidoa sei die Sterberate von Kindern unter fünf Jahren von täglich 50 pro 10.000 auf 15 pro 10.000 gefallen; von der Bevölkerung Mogadischus seien nicht mehr 70 Prozent unterernährt, sondern nur noch 15 bis 18.
Francois Grunewald vom Internationalen Roten Kreuz (IKRK) äußerte zur gleichen Zeit seine Besorgnis über das Ausmaß der Hungerhilfe in einigen südsomalischen Regionen, die so umfangreich sei, daß geflüchteten somalischen Bauern jeder Anreiz zur Rückkehr in ihre Dörfer und zur erneuten Feldbestellung fehle. In Baidoa sei der Preis für einen 55-Kilo-Sack Sorgho von etwa 40 Dollar im Oktober auf 11 Dollar gefallen. Das IKRK, so Grunewald, wolle in Zukunft die Hälfte ihrer Nahrungsmittelhilfe von somalischen Bauern kaufen und Lebensmittelimporte dementsprechend reduzieren. Nach der für den Sommer erwarteten Getreideernte wollen die Hilfsorganisationen ihre Lebensmittelverteilungen auslaufen lassen. In den am meisten vom Krieg betroffenen Zentralregionen Somalias wird es die erste Ernte seit zwei Jahren sein, die aber wegen Pilzbefalls nicht besonders groß ausfallen wird.
In welchem Ausmaß Deutschland zur Finanzierung des UNO- Plans beitragen wird, ist noch nicht klar. Im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde gestern nachmittag noch über die deutsche Teilnahme an der heute beginnenden Konferenz beraten. Die Bundesregierung hält sich zugute, daß sie nach Angaben des Auswärtigen Amtes Somalia im Jahr 1992 mit exakt 96.687.830 DM geholfen habe. Ferner seien finanzielle Hilfe beim von der UNO gewünschten Aufbau einer 3.000köpfigen somalischen Polizei und die Entsendung technischen Hilfspersonals bei der Instandsetzung der Strom- und Wasserversorgungssysteme in Mogadischu und Kismaju vorgesehen. Dominic Johnson
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