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Beendet Siemens die MOX-Produktion?

Auf der Hauptversammlung versucht der neue Chef Heinrich von Pierer die Bedeutung der Atomkraft für den Konzern herunterzuspielen/ Dennoch: Zukunft für das Atom  ■ Aus München Karl Amannsberger

Der wachsenden Kritik von AktionärInnen auf der Hauptversammlung der Siemens AG am Atomgeschäft des Elektroriesen ist der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Heinrich von Pierer, am Donnerstag in München mit Tiefstapeln begegnet. Die KWU – der für das Kraftwerksgeschäft zuständige Unternehmensbereich – habe ihren früher 70prozentigen Anteil des Nukleargeschäfts auf 30 Prozent reduziert und damit angemessen auf die veränderte Nachfrage reagiert. Am Gesamtgeschäft von Siemens sei die Nuklkeartechnik mit weniger als drei Prozent beteiligt, gab sich Pierer auf seiner ersten Hauptversammlung als Vorstandschef bescheiden. Die Forderung mehrerer Kleinaktionäre, aus der Atomenergie ganz auszusteigen, beschied er jedoch mit der Prognose: „Die Kernenergie hat ihre Zukunft noch vor sich.“

Im Mittelpunkt des Trommelfeuers von Fragen aus dem Aktionärskreis standen der geplante deutsch-französische Druckwasserreaktor, die Fertigung plutoniumhaltiger MOX-Brennelemente und der neue Forschungsreaktor in Garching. Die Bereitschaft der CSU, den derzeit 500 Millionen Mark teuren Forschungsreaktor der TU München aus dem knappen bayerischen Kultusetat zu finanzieren, sei wohl mit massiven Spenden im Vorwahljahr erkauft worden, mutmaßte ein Aktionär. Siemens mache kein Verlustgeschäft, entgegnete Pierer.

Die Entwicklungskosten für den geplanten deutsch-französischen Gemeinschaftsreaktor mit 1.500-Megawatt-Leistung lägen bei 200 Millionen DM, die sich Deutschland und Frankreich teilten, so Pierer. Die deutschen Stromversorger griffen Siemens dabei mit 50 Millionen unter die Arme. Man habe „keinen konkreten Auftrag“, erwarte jedoch, daß der angestrebte Energiekonsens eine Option darauf eröffne.

Was die neue MOX-Fabrik in Hanau angeht, scheint Siemens den geordneten Rückzug anzutreten. So sprach Pierer davon, daß der Betrieb bei einer Verarbeitungskapazität von drei Tonnen Plutonium pro Jahr auf zehn Jahre begrenzt werden könne. Die bisherigen Verluste bezifferte der Vorstandsvorsitzende auf 100 Millionen für die Altanlage und einen dreistelligen Millionenbetrag für die Neuanlage.

Weiteres Hauptthema der Hauptversammlung, die bei Redaktionsschluß noch andauerte, war die Kritik am Mehrfachstimmrecht der Familie Siemens. In seinem Bericht zur Geschäftsentwicklung gab der Siemens-Chef bekannt, daß Siemens im vergangenen Geschäftsjahr beim Auftragseingang (plus 4 Prozent), Umsatz (plus 8 Prozent) und erst recht beim Jahresüberschuß von knapp 2 Milliarden DM (plus 9 Prozent) auf Wachstum programmiert war. Für die 50-DM-Aktie werden wie im Vorjahr 13 DM Dividende bezahlt. Trotz unsicherer Konjunktur erwartet der Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer auch für das laufende Geschäftsjahr leicht steigende Aufträge in Höhe von 86 Milliarden DM (plus 1 Prozent) und einen Umsatz von etwa 83 Milliarden (plus 6 Prozent). Die Zeche zahlen muß die Belegschaft. Ende Februar beschäftigte Siemens weltweit 407.000 MitarbeiterInnen, rund 6.000 weniger als noch fünf Monate zuvor. Bis Ende September sollen es unter 400.000 sein.

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