: „Ich bin bald wieder da“
Täglich werden auf dem Flughafen Schönefeld illegal eingereiste Rumänen in ihre Heimat „zurückgeschoben“/ Nur zehn Prozent sind abgelehnte Asylbewerber ■ Von Annette Großbongardt
Berlin. Für den Jaro-Flug 146 nach Bukarest, 21 Uhr ab Schönefeld, gibt es keine Tickets am Schalter. Die Bordkarten, die zum Einstieg zwingen, werden vom Bundesgrenzschutz (BGS) verteilt. Die Maschine ist von der Bundesregierung gechartert, um illegal eingereiste Rumänen in ihre Heimat „zurückzuschieben“, wie es im Amtsjargon heißt.
An diesem Abend ist es nur ein kleines Häuflein von etwa fünfundzwanzig Rumänen, die in einem abgelegenen Warteraum hocken. Sie wollen in ihrem „Scheißland“ nicht mehr leben, sagt der 19jährige Lucian. Doch mit ihrer Unterschrift unter das „Rückübernahmeabkommen“ mit Deutschland hat die Bukarester Regierung für ein rasches Ende ihres Ausbruchsversuchs ins reiche Deutschland gesorgt. Mehr als 6.000 „Illegale“ wurden seit Inkrafttreten des Abkommens am 1. November über den Flughafen Schönefeld ausgeflogen, mehrere tausend über Frankfurt/Main und München.
Die überwiegend jungen Männer haben eine kurze, schlaflose Nacht hinter sich, nachdem ihr Fluchtabenteuer an Brandenburgs Grenze zu Polen in Scheinwerferlicht und Hundegebell endete. Eine ostdeutsche Grenzstelle, eine Busfahrt durch Brandenburg, belegte Brötchen und Fanta im Flughafen-Warteraum, das ist alles, was sie von dem Land, in dem sie satt werden wollten, mitnehmen. Die Toiletten sind nicht verschließbar – neulich wollte einer nicht mehr raus, da mußte die Tür eingetreten werden. Bei der Sicherheitskontrolle tragen die BGS-Leute Einmalhandschuhe – „wegen des Schlamms“, den die Flüchtlinge von der grünen Grenze mitbringen, erklärt ein BGS-Mann.
Der 28jährige Tamase hatte es immerhin schon einmal bis zu einem Asylantrag geschafft, doch der wurde abgelehnt. In Rumänien hat er keine Arbeit und auch sonst nichts zu verlieren. Jetzt hat er es mit seiner 21jährigen Frau Luminita bei Nacht und Nebel wieder versucht, vergeblich. 400 Mark haben die Grenzschützer ihm abgenommen, als Anteil an den Flugkosten. Als Luminita unter Tränen erzählt, sie sei von Grenzbeamten getreten worden, wird der Leiter der Grenzschutzstelle Schönefeld, Ralf Pistor, unruhig. Auch Tamase beklagt sich, er habe eins mit dem Schlagstock drüberbekommen. Schließlich erhalten sie ein Blatt Papier, auf dem sie ihre Beschwerde formulieren sollen. Pistor verspricht, die Vorwürfe zu prüfen.
An manchen Tagen sind es bis zu 180 ärmlich gekleidete Menschen, die von den BGS-Beamten in Schönefeld routiniert abgefertigt werden. Asyl haben sie an der Grenze nicht begehrt, wie Pistor versichert – das ist die Voraussetzung für ihre schnelle Abschiebung. Höflich bittet der Grenzschützer darum, die Rumänen im Interview auch nicht zu einem Asylersuchen zu „animieren“.
Ursprünglich sollte durch den Vertrag mit Rumänien die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber forciert werden. Doch in den Flugzeugen sitzen überwiegend Einwanderer, die direkt an der Grenze aufgegriffen wurden. Nur zehn Prozent sind abgelehnte Asylbewerber. Humanitäre Organisationen befürchten nun, daß in dem Schnellverfahren auch solche unter die Räder kommen, die tatsächlich Asyl suchen. In der Sozialstation des Flughafens, die vom Diakonischen Werk unterhalten wird, sind die Helfer „schwer beunruhigt“ angesichts der Massenabschiebungen.
Erst vor wenigen Tagen hatten sie mit dem Fall einer 27jährigen, schwangeren Rumänin zu tun, die nach dem illegalen Grenzübertritt in Frankfurt/Oder Geburtswehen bekam. Während sie ins Krankenhaus eingeliefert wurde, schickte man ihren Mann und eine kleine Tochter sofort zurück. „Man hat ihr gesagt, es gebe kein Asyl“, berichtet die Sozialarbeiterin Isabelle Oelsen-Komets. Die Ausweisung der jungen Frau, die die politische Verfolgung ihres Mannes als Fluchtgrund angab, wurde schließlich nur deshalb gestoppt, weil ihr inzwischen geborenes Baby nicht die erforderliche rumänische Staatsbürgerschaft hat.
In einem anderen Fall sollte ein 14jähriger Rumäne „in Handschellen nach Schönefeld“ zur Abschiebung gebracht werden, berichten die Sozialarbeiter. Er war in Erfurt bei einem Lebensmitteldiebstahl erwischt worden, nachdem ihn seine Eltern nach der illegalen Einreise im Stich gelassen hatten. Die Vertretung des UN-Flüchtlingskommissariats in Bonn prüft derzeit solche bislang vereinzelten Vorwürfe von Rumänen, sie hätten keine Chance gehabt, Asyl zu beantragen. Bei einem Besuch in Schönefeld habe man einen „beklemmenden“ Eindruck bekommen, rechtlich gebe es derzeit aber „keinen Anlaß zur Beanstandung“ des Verfahrens, betont ein Sprecher der Vertretung.
Als Tamase, Lucian und die anderen in den Flughafenbus steigen, jammern sie nicht und wehren sie sich nicht. Sie haben es versucht. Was sie jetzt in Rumänien erwartet, wissen sie nicht, es kursieren Gerüchte über Verhaftungen und Mißhandlungen von zurückgeschobenen Flüchtlingen. Der Bundesgrenzschutz beteuert, auf eine Verfolgung der Abgeschobenen nach ihrer Rückkehr gebe es keine Hinweise. „Ich bin bald wieder da“, sagt Lucian. AFP
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