: Gesellig, unbequem und preiswert
■ Wegfall von Destinationen und Unfälle sind die Malaise der Busunternehmen
„Der Bus als Reiseverkehrsmittel hat das Klassenziel nicht erreicht.“ 1992 war ein trübes Jahr für die Busbranche. Die Ursachenforschung ist einfach. Zum einen seien „ganze Destinationen wie das frühere klassische Ferienreiseziel Jugoslawien weggebrochen“ sowie der Italien-Tourismus per Bus zurückgegangen; zum anderen habe es erhebliche Einbrüche nach Unfällen gegeben. Verunfallte Busse wären nicht spurlos am Vertrauen der Kunden vorbeigegangen. Das war das Fazit von Günter Bliedenhäuser-Nille, dem Stellvertretenden Vorsitzenden der Gütegemeinschaft Buskomfort e.V. (gbk) auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin.
Die gbk repräsentiert mit rund 920 von 1.200 Busreiseveranstaltern den größten Ausschnitt der Bustouristik in Deutschland. Sie haben sich einer gewissen Qualität verschrieben und wollen dies auch gegenüber dem Verbraucher deutlich ausweisen. 3.400 der rund 10.000 für den Reiseverkehr zugelassenen Busse sind mit dem sogenannten „Gütezeichen Buskomfort“ ausgezeichnet. Sie sind in vier Qualitätsstufen (ab 1994 fünf) klassifiziert, wobei das A und O für die Einteilung der Sitzabstand ist. Beim 4-Sterne-Fernreisebus sind neben dem Mindestsitzabstand von 83 Zentimetern ein WC/ Waschraum, Kühlbar und Klimaanlage zwingend vorgeschrieben. „Gesellig, staugefährdet, abhängig, unbequem und preiswert“ sind die hervorragenden Eigenschaften, die Kunden dem Verkehrsmittel Bus zuschreiben.
Jürgen Armbrecht von der Stiftung Warentest machte auf einen zentralen Widerspruch aufmerksam. „Ein Teil der Busunternehmen sorgt sich um das ramponierte Image der Branche, während ein anderer Teil die Lenk- und Schichtzeiten und die Sozialleistungen mit Füßen tritt.“ Die Busbranche müsse endlich initiativ werden, um sich von ihren schwarzen Schafen zu trennen. Es sei „schizophren“, daß ein Vertreter eines Verbandes von Busreiseunternehmern die Schuld den Verbrauchern in die Schuhe schiebe, die die billigen Busreisen buchen würden.
Zwar möchte auch Norbert Grein, Präsident des Internationalen Bustouristik Verbandes, die „schrägen Vögel“ seiner Branche am liebsten in den Käfig einsperren. „Doch wir können nicht ahnden“, wusch der Bus-Lobbyist seine Hände in Unschuld. Vielmehr schob er den Schwarzen Peter den Gewerbeaufsichtsämtern zu, deren Aufgabe die Überprüfung der Lenk- und Ruhezeiten der Busfahrer sei. „Die Gewerbeaufsichtsämter überprüfen die Fahrer und Unternehmer doch überhaupt nicht“, sagte Grein .
Der beste Weg aus der Malaise sei es, den Verbraucher schlau zu machen, bemerkte Gabriele Werle-Schmid, stellvertretende Geschäftsführerin der gbk.
Trotz der jüngsten Unfallserie, die zu drastischen Buchungsrückgängen bei Busreisen geführt hat, sei der Bus das „sicherste Verkehrsmittel“ sowohl im Vergleich zu Straßenverkehrsmitteln wie PKW, LKW, Motor- und Fahrrädern als auch bei nicht straßengebundenen Personenverkehrsmitteln wie Flugzeug und Bahn, erklärt die Gütegemeinschaft Buskomfort. So seien im Jahr 1990, bezogen auf eine Milliarde gefahrene Personenkilometer, im Bus nur 0,1 Personen getötet worden, aber 4,3 in der Bahn, 3,2 im Flugzeug und 7,7 im Auto. Wenn es zu spektakulären Reisebusunfällen wie im letzten Jahr komme, sei dafür nur menschliches Versagen verantwortlich. Die technische Sicherheit der Busse sei nämlich sehr hoch. Günter Ermlich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen