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Jelzin auf der Flucht nach vorn

■ Nach seiner Niederlage im Parlament will der Präsident ein Referendum im Alleingang

Moskau/Berlin (taz/ap/afp) – In Rußland ist die Blockade zwischen Präsident Jelzin und dem Parlament komplett. Der Versuch des russischen Präsidenten, im Machtkampf mit dem von Altkommunisten beherrschten Volksdeputiertenkongreß einen Kompromiß zu erzielen, ist endgültig gescheitert. Nach einem letzten vergeblichen Appell an die Delegierten, das Referendum über die künftige Machtaufteilung nicht zu verbieten, kündigte Jelzin nach Angaben seines Sprechers Wjatscheslaw Kostikow an, daß er die Volksabstimmung auf eigene Verantwortung abhalten lasse. Die Abgeordneten lehnten das von Jelzin gewünschte Verfassungsreferendum danach mit überwältigender Mehrheit endgültig ab. Sie schränkten zudem die Macht des Präsidenten erheblich ein, indem sie einige Verfassungsartikel wieder in Kraft setzten. Jelzin und seine Regierung hatten den Sitzungsraum zuvor demonstrativ verlassen. Der Präsident werde nicht mehr in die Sitzung zurückkehren, sagte Kostikow. Der Kongreß wollte am Samstag weitertagen.

Der erste stellvertretende Ministerpräsident, Wladimir Schumeiko, einer der engsten Mitarbeiter Jelzins, teilte mit, das Referendum werde „vermutlich am 25. April“ abgehalten. „Der Kongreß kann seine Sitzung fortsetzen. Von heute an ist das seine Sache.“ Keine politische Kraft könne die Abhaltung des Referendums verhindern. Mit 656 gegen 184 Stimmen nahmen die Volksdeputierten am Freitag in dritter Lesung den Entschließungsantrag an, in dem das im Dezember beschlossene Referendum abgesetzt wird. Mit 631 gegen 220 Stimmen votierten sie zudem für den Punkt des Antrags, der drei Verfassungsparagraphen wieder in Kraft setzt, durch die das Parlament ein Veto gegen Erlasse des Präsidenten einlegen und die Regierung kontrollieren kann. Jelzin hatte sich vehement gegen den Resolutionsentwurf ausgesprochen.

Am Nachmittag ließ Jelzin dem Volksdeputiertenkongreß die beiden Fragen präsentieren, die er bei dem von ihm geplanten Referendum zur Abstimmung stellen will. Die erste Frage bezieht sich auf die Rolle des Präsidenten, die zweite auf das Privateigentum an Grundbesitz in Rußland. Der Präsident verfolge aktiv die Vorbereitung des Referendums, das er trotz allem organisieren wolle, sagte Präsidentensprecher Kostikow. Jelzin habe begriffen, daß „die Deputierten schlechte Verhandlungspartner sind“. „Der einzige Verhandlungspartner der ihm bleibt, ist das Volk, und er wird sich zur gegebenen Zeit an es wenden“, sagte Kostikow.

Im Westen reagierten Politiker besorgt auf die Niederlage Jelzins, dem es nichts genützt hat, daß ihm der US-Außenminister Warren Christopher für den Machtkampf die Daumen drückte. Bundeskanzler Helmut Kohl hatte sich bereits in der vorigen Woche in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten Bill Clinton für die Unterstützung der russischen Regierung in ihrem Bemühen um Demokratie und Reformen eingesetzt. Kohl habe den Brief nach seinem Treffen mit Jelzin in Moskau auf dem Rückflug von seiner Ostasienreise geschrieben, bestätigte der Sprecher der Bundesregierung, Dieter Vogel, gestern in Bonn. Kohl habe auch auf allen Stationen seiner Ostasienreise, insbesondere in Tokio, um Hilfe für Jelzin geworben.

Ein Vorziehen des G-7-Wirtschaftsgipfels, der für Anfang Juli in Tokio geplant ist, würde nach den Worten Vogels nicht am Widerstand Bonns scheitern, wenn es den Vorstellungen der anderen G-7-Staaten entspreche. Neue Hilfsprogramme für Rußland werden in Bonn davon abhängig gemacht, daß vor allem die USA und Japan ihren Anteil an der westlichen Hilfe von bisher zusammen nur gut zehn Prozent deutlich erhöhen. Die Bundesrepublik hat Rußland und den anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion bisher rund 75 Milliarden DM an Hilfen zugesagt. Das ist etwas mehr als die Hälfte aller westlichen Hilfen.

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