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Explosive MischungBei Hoechst geht der Störfall in Serie

■ Chronik der „Zwischenfälle“ bei Niederlassungen des Chemieriesen seit 22. 2. '93

Keine Verschnaufpause für die Unfalldienste der Hoechst- Werke: Die gestrige Explosion im Frankfurter Stammwerk setzt die Kette von Störfällen fort, die die Menschen in der Umgebung seit rund drei Wochen nicht zur Ruhe kommen läßt. Der erste Unfall ereignete sich am 22. Februar, als aus einem Kessel des Griesheimer Hoechst-Werkes durch einen Bedienungsfehler zehn Tonnen Chemikalien, darunter 2,5 t des giftigen O-Nitroanisol, eines Grundstoffs für die Farbenherstellung, entwichen. Das Unternehmen stufte die Giftwolke zuerst als mindergefährlich ein. Später stellte sich dann heraus, daß die auf weite Teile der dicht besiedelten Umgebung niedergegangene Substanz unter anderem krebserregend war.

Nur zwei Tage nach dem ersten Unfall entwich aus dem Frankfurter Stammwerk in einem Produktionsbetrieb für Textilbleichmittel ein Kilogramm Chlordioxid. Der Feuerwehr gelang es nach eigenen Angaben, die gefährliche Chemikalie mit Wasser niederzuschlagen, so daß der Stoff nicht nach außerhalb des Werksgeländes gelangte. Auch diesen Störfall stufte das Unternehmen als nicht schwerwiegend ein, da zwar Chlor ein „sehr giftiges Halogen“ sei, die Konzentration bei dem freigesetzten Chlordioxid aber „nicht sehr hoch“ gewesen sei.

Am 5. März wurden bei Reparaturarbeiten im Stammwerk 450.000 Liter ölverseuchtes Wasser in den Main gepumpt. Am Tag darauf kam es bei der Hoechst-Tochter Casella im Stadtteil Fechenheim zu einem Großbrand. Nur wenig später trat aus einer Abfüllanlage im Stammwerk eine „Wolke“ türkiser Textilfarbe aus; nach Angaben der Behörden wurden dabei keine Gifte freigesetzt; das hessische Umweltministerium untersagte den Betrieb der Anlage.

Auch danach kam das Chemieunternehmen nicht zur Ruhe: Am 9. März trat in den Farbenwerken des Konzerns Ammoniak aus. Die Feuerwehr bekämpfte das Gift und stufte die Belastung für die Umgebung als nicht gesundheitsschädlich ein. Noch in derselben Woche liefen in einem Wiesbadener Hoechst-Kunstharzwerk rund 1.000 Liter des giftigen Lösungsmittels Xylol aus. Durch einen Kühlwasserkanal gelangten etwa 100 bis 200 Liter davon in den Rhein. Ursache: Bedienungsfehler. taz

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