: "Ganz schön dreist"
■ Polizei stoppte in Brandenburg Autokonvoi: 17 gestohlen gemeldete Wagen / Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei / Russische Fahrer angeblich ahnungslos
Berlin/Brandenburg. Der Autokonvoi auf der Bundesstraße 96 war nicht zu übersehen: 40 PKW rumpelten, fein säuberlich in Reih und Glied, hintereinander her. Jeder Wagen war mit einem Überprüfungskennzeichen versehen, auf dem in deutsch und kyrillisch stand: „Transit“. Mißtrauische Polizisten brachten die Kolonne in Nassenheide, zwischen Löwenburg und Oranienburg, zum Stehen. Bei der Überprüfung der Fahrzeuge stellte sich heraus, daß 17 der Autos vom Typ Lada Samara in Berlin und im näheren Umland als gestohlen gemeldet waren.
Nach Angaben des Polizeisprechers von Oranienburg, Rudi Sonntag, waren die Autos von Angehörigen der in Brandenburg stationierten GUS-Streitkräfte und zwei Russen mit einem Touristenvisum gesteuert worden. Gegenüber der Polizei hätten die Männer beteuert, nicht zu wissen, daß die Autos gestohlen seien. Sie hätten die Wagen jeweils für einen Preis zwischen 3.000 und 5.000 Mark gekauft. Die Polizei habe inzwischen gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei eingeleitet. Die Angehörigen der GUS-Streitkräfte seien der Militärkommandantur übergeben worden.
„Wenn die Fahrer wußten, in was für einem Auto sie saßen, ist das eine ganz schön dreiste Geschichte“, merkte der Polizeisprecher zu dem Umstand an, daß die Fahrzeuge am vergangenen Montag am hellichten Tage gegen 11Uhr ganz offen im Konvoi über die Bundesstraße fuhren. Sonntag kann sich nicht erinnern, daß es der Polizei zuvor schon einmal gelungen ist, so eine Kolonne sprichwörtlich aus dem Verkehr zu ziehen. Ob der Hehlerei-Verdacht mit Beweisen erhärtet werden könne, sei jedoch sehr fraglich. „Bei Hehlerei“, so Sonntag, „muß bewiesen werden, daß die Autos nicht in gutem Glauben erstanden wurden.“ Auch wenn es auf den ersten Blick nicht sehr wahrscheinlich erscheine, müßten die Fahrer nicht unbedingt angeworbene Kuriere oder Schlepper sein. Vielleicht seien sie arglose Russen, die ihr letztes Geld zusammengekratzt hätten, um sich ein Auto für die Rückkehr in die Heimat zu kaufen.
Welches Ziel der Konvoi ansteuerte, vermochte der Polizeisprecher nicht zu sagen. Die von einer Presseagentur verbreitete Annahme, die Autos sollten über die deutsch-polnische Grenze nach Rußland geschmuggelt werden, bezeichnete Sonntag als Spekulation. Ganz zufällig war die Polizeistreife nicht an der Bundesstraße 96. Denn: Der Brandenburgische Innenminister Alwin Ziel (SPD) hat vor einigen Tagen ein verschärftes Vorgehen gegen den Autoschmuggel ins Ausland angekündigt und für eine Ausweitung der Fahrzeug-Überprüfung „im deutschen Verkehrsraum“ plädiert. Im Mai wird sich die Innenminister- Konferenz mit dem Vorhaben befassen. In Brandenburg wurden im vergangenen Jahr 10.818 Fahrzeuge gestohlen, in Berlin waren es 27.100. plu
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