: Wissmann läßt sich runterbeamen
Der neue Bundesforschungsminister will im Weltraum sparen – die Wirtschaft soll für den Wettbewerb auf der Erde gestärkt werden/ Ständig schrumpfender Anteil am Gesamtetat ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack
Weniger Weltraumprojekte, statt dessen mehr Mittel, um Deutschlands Unternehmen für den Wettbewerb mit der Konkurrenz in Japan und den USA fit zu machen – das sind die Schwerpunkte, die der neue Forschungsminister Matthias Wissmann (CDU) setzen will. Er sieht sich, wie er gestern sagte, an der Spitze eines „Zukunftsministeriums“, das dafür sorgt, daß aus den Ergebnissen der erfolgreichen deutschen Grundlagenforschung erheblich schneller als heute „weltmarktfähige Produkte“ werden.
Die engere Kooperation zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik soll ein „Strategiekreis“ fördern, in den Wissmann unter anderen die Vorstandsvorsitzenden von Siemens und VW, Heinrich von Pierer und Ferdinand Piäch berufen will. Priorität sollen die Entwicklung neuer Werkstoffe, Mikroelektronik sowie Bio- und Gentechnik haben. Das Gentechnikgesetz, bekräftigte Wissmann, müsse rasch dereguliert werden. Daneben sei es nötig, „wesentlich mehr als bisher öffentlich“ für die Gentechnik zu werben – eine Aufgabe, die der Minister selbst „offensiv“ angehen will.
Aber auch regenerative Energien, Energiespartechniken und die Umweltforschung ernannte der Minister zu Schwerpunkten. Ein Programm „Solarthermie 2000“ soll in Ostdeutschland Solarsysteme zur Wärmeversorgung erproben. Auch Hilfen für die Markteinführung der Photovoltaik, bei der die Sonne zur Stromerzeugung genutzt wird, schloß der Minister nicht aus. Ratschläge, bei den Mitteln für die Photovoltaik zu kürzen, habe er jedenfalls abgelehnt, versicherte Wissmann.
Fast acht Wochen hatte der Nachfolger von Heinz Riesenhuber nach seiner Amtseinführung verstreichen lassen, bis er seine Grundsatzpositionen zur künftigen Forschungspolitik vorstellte. Der als Quotenschwabe ins Kabinett berufene Wissmann, so wurde die ungewöhnlich lange Schamfrist im Forschungsministerium erklärt, mußte sich erst einarbeiten. Entsprechend hoch waren gestern die Erwartungen. Daß sie enttäuscht werden würden, hatte der SPD- Forschungsexperte Catenhusen schon vorher gemutmaßt: Wissmann werde der Technologiepolitik kein größeres Gewicht am Kabinettstisch verschaffen.
Der Etat des Forschungsministers von 9,53 Milliarden Mark nehme ohnehin einen ständig schrumpfenden Anteil am Gesamthaushalt ein, rechnen SPD- Experten vor. Nach der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung soll er in den nächsten Jahren weiterhin nur um 1,5 bis 0,8 Prozent wachsen. Gemessen an der Inflationsrate, werde der Forschungsetat also schrumpfen, kritisierte Catenhusen.
Wissmann selbst hat das Problem erkannt, konnte aber wenig Abhilfe versprechen. Es gebe eine „strategische Lücke“ im Bundeshaushalt, kritisierte er. In diesem Jahr habe der „Wissmann-Bonus“, so Wissmann, immerhin dazu geführt, daß sein Haushalt von weiteren Mittelsperrungen verschont geblieben sei. Gleichzeitig, so des Ministers Klage, reduziere auch die deutsche Wirtschaft ihre Aufwendungen für Forschung und Entwicklung – ganz anders als ihre japanischen Konkurrenten, die ihre Aufwendungen noch steigerten.
Um wieder Spielraum zu gewinnen, will Wissmann in den Bereichen sparen, die in den letzten Jahren stetig wachsende Anteile des Haushalts beansprucht haben. Die Grundlagenforschung erhält keine neuen Großgeräte, die Großforschungseinrichtungen sollen bis zu 1.900 Stellen abbauen. Das analoge HDTV-System, wegen der Entwicklung digitaler TV-Systeme ohnehin überholt, soll aus dem Forschungsetat keine Mittel zur Markteinführung erhalten. Und anders als Riesenhuber will Wissmann auch die Weltraumforschung nicht verschonen. Die Absicht der USA, die Kosten der geplanten Raumstation „Freedom“ zu halbieren, begrüßte der Minister und regte an, beim Bau der Raumstation Japan und Rußland einzubeziehen. Warum, so fragte er, könne aus der russischen Mir- Station und der „Freedom“ keine gemeinsame Station werden? Auch beim europäischen Raumlabor Columbus würde Wissmann gerne „strecken und straffen“. Projekte wie die deutsche Space-shuttle-Mission D2 seien in Zukunft „nicht mehr finanzierbar“.
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