piwik no script img

Kleinere Brötchen bei Volkswagen

■ Aufsichtsrat sucht nach Sparprogramm

Berlin/Wolfsburg (taz/dpa) – In Deutschlands Schlüsselindustrie, der Autobranche, verblassen die Glanzlichter. Besonders der Einheits- verwöhnte Branchenführer Volkswagen verschlief zu lange den notwendigen Strukturwandel. Hohe Produktionskosten, falsche Automodelle und vorsichtige Verbraucher, die angesichts der Rezession die Anschaffung eines neuen Lieblingskindes verschieben, haben Europas größtem Autokonzern schon 1992 einen Verlust von 1,1 Milliarden Mark beim Verkauf seiner 3,5 Millionen Autos beschert. Und auch wenn das Brot- und-Butter- Auto, der Golf, immer noch ein Verkaufsschlager ist, wird VW in diesem Jahr erheblich kleinere Brötchen backen müssen. Gestern zog sich der VW-Aufsichtsrat stundenlang hinter verschlossenen Türen zurück, um einen Ausweg aus der Unternehmenskrise zu suchen. Neue Leute für den Vorstand und drastische Kürzungen bei Arbeitsplätzen und der Dividende für die Aktionäre standen auf der Tagesordnung der bei Redaktionsschluß noch andauernden Sitzung. Nur Vorstandschef Ferdinand Piäch und sein Vize Daniel Goeudevert konnten sich ihrer Sessel noch sicher sein.

Als sicher galt, daß der José Ignacio Lopez de Arriortúa in den VW-Vorstand berufen würde. Um den spanischen Sanierer, der die urdeutschen Sekundärtugenden Fleiß, Ordnung und Pünktlichkeit knallhart zu exekutieren pflegt, hatte es ein hartes Tauziehen zwischen seinem bisherigen Arbeitgeber, dem US- Autohersteller General Motors (GM), und VW gegeben.

Nur kurze Zeit vor einer für Montagnachmittag angesetzten Pressekonferenz (US- Zeit) hatte Lopez dem GM-Spitzenmanager Jack Smith endgültig mitgeteilt, daß er GM verlassen werde. Auf der Pressekonferenz hatte Smith das Gegenteil verkünden wollen und geriet gegenüber den JournalistInnen entsprechend ins Stottern. Denn am Sonntag war man sich beim größten Autokonzern der Welt noch sicher gewesen, daß Lopez bleiben werde.

Lopez hatte den Vertrag mit VW vergangene Woche unterzeichnet und am Donnerstag sein Ausscheiden bei General Motors verkündet. Am Samstag bearbeiteten ihn seine GM- Vorstandskollegen und glaubten, seinen Verbleib gesichert zu haben. VWs Trumpfkarte war dann wohl das Angebot, daß Lopez in seiner Heimat, dem Baskenland, eine total durchrationalisierte neue Autofabrik bauen darf, wovon der 52jährige seit seinem Ingenieursstudium träumte. Außerdem soll er das für deutsche Verhältnisse hohe Jahressalär von einer Million Mark erhalten. Lopez hatte General Motors mehr als eine Milliarde Dollar Kosten eingespart, weil er die Lieferanten zu enormen Preiskonzessionen zwang. Zentrales Thema der Aufsichtsratssitzung war auch eine drastische Kürzung der Dividende, die angeblich von elf Mark im Vorjahr auf vier Mark pro Aktie gesenkt werden sollte. Tagesthema Seite 3

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen