: Die französische Politik bleibt Männersache
■ Parteien versperren ambitionierten Frauen den Weg in die Nationalversammlung
Das Wahlrecht besitzen die Französinnen seit knapp 49 Jahren – den Gesetzgeber dürfen sie also wählen. Doch bei der Gesetzgebung selbst hatten sie bislang nicht mitzureden, und das wird sich auch nach den Wahlen vom Sonntag nicht ändern. 1988 zogen genau 33 Frauen in die Nationalversammlung ein, bei insgesamt 577 Sitzen sind das weniger als sechs Prozent; in der EG ist nur das griechische Parlament noch männlicher, im deutschen Bundestag nehmen die Frauen ein Fünftel der Sitze ein.
In der neuen Nationalversammlung werden voraussichtlich noch weniger Französinnen sitzen. Denn die Parteien mit der geringsten Kandidatinnenzahl dürften rund vier Fünftel der Sitze erobern: Die konservativen Parteien RPR und UDF haben zusammen 38 Frauen (und 539 Männer) zur Wahl aufgestellt. Die Statuten der Sozialistischen Partei (PS) schreiben immerhin eine Frauenquote von 30 Prozent vor, doch die PS schickt nur 43 Frauen ins Rennen um die 577 Plätze. Die Front National (FN) hat 70 Kandidatinnen und die Kommunistische Partei 90. Selbst die Grünen, die Parität anstreben, haben diese bei weitem nicht verwirklicht: Das ökologische Bündnis hat 91 Frauen aufgestellt, damit stellen die Frauen bei ihnen nur 15 Prozent der KandidatInnen. Häufig müssen sich die Politikerinnen zudem in Wahlkreisen schlagen, wo ihre Partei keine Siegeschancen hat.
Betrachtet man die übrigen Wahlämter in Frankreich, so läßt sich an der Frauenquote ablesen, welche Bedeutung ihnen zugemessen wird: Am wenigsten interessiert die Männer das Europaparlament, dort ist jede/r fünfte französische Abgeordnete eine Frau; ihre Präsenz ist jedoch von Wahl zu Wahl gesunken. In den Regionalräten sitzen 12 Prozent Frauen. Alle anderen Entscheidungsgremien – und insbesondere die Rathäuser – sind ihnen ebenso versperrt wie Nationalversammlung und Senat. Daß die Frauen in den Regierungen wie im Präsidialamt Mitterrands relativ zahlreich vertreten sind, ist kein Beweis für ihren politischen Einfluß. Allein die Gnade des Präsidenten machte Edith Cresson zur Regierungschefin, der männliche Parteiapparat der PS sowie die Parlamentsfraktion trugen erheblich zu ihrem Scheitern bei. Die sieben Ministerinnen der jetzigen Regierung wurden ebenfalls alle von oben ernannt, sie besitzen jedoch keine Basis, die sie fördert und stützt. Nach dem Rücktritt der Regierung werden sie politisch nichts mehr zu sagen haben.
Auf die Frage, warum die französische Politik weiterhin reine Männersache bleiben soll, sagte RPR-Generalsekretär Alain Juppé nach Angaben der Tageszeitung Libération dreist: „Ich habe keine guten Kandidatinnen gefunden. Für Kommunalwahlen findet man welche, aber nicht für das Abgeordnetenamt.“ Juppé gab allerdings zu, daß man Kandidatinnen auf nationaler Ebene schon „aufzwingen“ müsse – und darin liegt der eigentliche Grund ihres Ausgeschlossenseins. „Die Parteiapparate sind vollständig in Männerhand“, erklärt Régine Saint-Criq, die für ihr Buch „Flug über ein Macho-Nest“ gewählte Politikerinnen aller Parteien befragt hat. Frauen störten nur in dieser Welt der Kameraderie. Bei der Kandidaten- Aufstellung veranstalteten die zuständigen Kommissionen regelmäßig „ein Massaker unter den Anwärterinnen“.
Das Mehrheitswahlrecht verlangt, daß schon innerhalb der Partei jeder gegen jeden kämpft, um aufgestellt zu werden. „Dieser Kampf, die Schläge unter die Gürtellinie, die Verleumdung – all das gibt es nicht, wenn Listen gewählt werden. Verhältniswahlrecht würde Frauen besser entsprechen“, meint daher die frühere Frauen- und Kulturministerin Françoise Giroud. Ihre männlichen Kollegen hingegen liebten diesen mörderischen Kampf.
„Während Männer die Ämter häufen und ihre Aufgaben dadurch vernachlässigen, werden politisch engagierte Frauen oft kaltgestellt, ihre Fähigkeiten werden von den Parteien nicht beansprucht“, sagt Buchautorin Régine Saint-Criq. „Eine Feminisierung der Politik würde diese wieder glaubwürdiger und zugleich den Frauen Lust auf Beteiligung machen.“ Die PS-Abgeordnete und frühere Ministerin für Frauenrechte, Yvette Roudy, will das jetzt in die Hand nehmen: Sie hat den Verein „Assemblée des femmes“ gegründet, der dafür kämpft, daß die Parität in der französischen Verfassung verankert und ihre Verwirklichung gesetzlich vorgeschrieben wird. Doch die Feministin weiß: Um die Parole der Republik, „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, zu ändern, bedarf es wohl einer neuen Revolution.
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