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Die UNO am Nasenring der Tschetniks

■ Der Hilfskonvoi für Srebrenica durfte gestern starten und wurde dann doch wieder zurückgeschickt

Sarajevo (AFP/taz) – Die Serben spielen ihr Spiel mit der UNO weiter: Nachdem sie am Donnerstag mittag dem seit acht Tagen an der bosnisch-serbischen Grenze bei Mali Zvornik wartenden UN- Konvoi gestattet hatten, in die ostbosnische Stadt Srebrenica aufzubrechen, wurden die zwölf Lastwagen bereits 30 Kilometer weiter von serbischen Polizisten und Soldaten der jugoslawischen Armee erneut gestoppt. Deren Erklärung: Von einer Durchfahrtgenehmigung des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević sei ihnen nichts bekannt. Der UN-Konvoi, der daraufhin mit seinen Lebensmitteln und Medikamenten für die 60.000 in Srebrenica eingeschlossenen Menschen wieder umkehrte, hatte nach Angaben von AFP überhaupt nur starten können, weil die UN-Soldaten auf serbische Forderungen eingegangen waren. Sie hatten zugestimmt, den Konvoi lediglich von zwei gepanzerten Fahrzeugen und einem gepanzerten Rettungswagen begleiten zu lassen. Dagegen meldete dpa aus Belgrad, der Kommandeur der UN-Truppen in Bosnien, Philippe Morillon, habe angeordnet, auch ohne serbische Genehmigung zu starten.

Morillon hält sich seit einer Woche in Srebrenica auf. Er will die Stadt, in der täglich 40 Menschen an Hunger sterben, erst nach dem Eintreffen eines Hilfskonvois verlassen. Doch auch die anderen Konvois der Vereinten Nationen, die bereits am Morgen nach Sarajevo, Goražde und Tuzla aufgebrochen waren, hatten bis gestern nachmittag ihre Zielorte nicht erreicht.

Bei den tätlichen Auseinandersetzungen um die abgeworfenen US-Hilfssendungen rund um Srebrenica hat es Tote und Verletzte gegeben. Dies bestätigte eine Vertreterin des UNO-Flüchtlingshochkommissars (UNHCR) in Belgrad am Mittwoch: „Wir wissen, daß an den Fundorten oft geprügelt wird und daß nur die Stärksten zu den Nahrungspaketen gelangen. Es ist ja ein Kampf um Leben und Tod.“ Meldungen über angeblich „rund vier Todesfälle pro Nacht“ konnte sie jedoch nicht bestätigen. Radio Sarajevo meldete unterdessen einen neuen Luftangriff auf den Kessel von Srebrenica. Vier Flugzeuge hätten in jeweils zwei Anflügen Bomben abgeworfen und seien über den Grenzfluß Drina nach Serbien zurückgeflogen. Die Militärbehörden der Stadt hätten berichtet, es habe „viele Opfer“ gegeben. Und auch in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo kam es am Donnerstag erneut zu heftigen Artilleriegefechten. Die Kämpfe brachen gegen 6 Uhr in der Nähe des Flughafen aus.

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte indes die jüngsten Verletzungen des Flugverbots über Bosnien und drohte mit „zusätzlichen Maßnahmen“ zur Durchsetzung der Verbotszone. Frankreich wollte noch am Donnerstag den UN-Sicherheitsrat anrufen. Bei einer Durchsetzung des Flugverbots sei Paris bereit, sich an der Versorgung Srebrenicas aus der Luft zu beteiligen, „wenn die humanitäre Hilfe auf dem Landweg nicht ihr Ziel erreicht“. Wie in Brüssel zu hören war, erhielten die Militärstrategen der Nato die Zustimmung der 16 Mitgliedsstaaten, die Planung für einen möglichen Einsatz in Bosnien fortzusetzen. Allerdings gebe es noch Streit zwischen Frankreich und den USA, wer die Operation leiten sollte. Frankreich wünsche, daß die Aktion unter der Verantwortung der UNO laufe. Die USA hingegen würden für einen Einsatz unter der Schirmherrschaft der Nato eintreten. her

Siehe auch Seite 8 und Kommentar Seite 10

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