: Das Beutebild muß stimmen
■ Bisexuellen-Gruppe zwischen Offensive und Verschhwiegenheit
Das Beutebild muß stimmen
Bisexuellen-Gruppe zwischen Offensive und Verschwiegenheit
Bis in die Bremer Provinz schlagen die Wellen des gesellschaftlichen Ereignisses: „Höchste Zeit!“ kommentiert Kalle die erste bundesweite Bisexuellen- Fete, die heute in Berlin steigt.
Kalle gehört seit Jahren zur Bi- Gruppe, die sich regelmäßig im „Rat & Tat-Zentrum“ im Viertel trifft. Und wie viele aus der Gruppe ärgert er sich, daß keine eigene Bi-Kultur existiert: „Bi- Kneipen, Bi-Feten, Bi-Filme, sowas gibt es gar nicht!“ „Aber Pourquoi-Pas, das ist doch ein Bi- Film!“ findet Corinna. Es ist Donnerstag, und die Gruppe trifft sich. Ohne Aufwärmzeit steigen alle in die Diskussion ein, von rechts und links hagelt es Einwände: „Ein „richtiger“ Bi-Film ist das nicht!“ Aber: „Was ist schon richtig?“.
Fragen nach „Richtig“ und „Falsch“ nerven die Gruppe. „Polaritätendenken muß man sich hier abschminken — wir leben doch selbst in der Grau-Zone zwischen den Geschlechter-Polen!“ sagt Bille. Es ist offensichtlich: In dieser Gruppe kommen Dogmen nicht an. Statt dessen wird viel und offen geredet. Wer lange dabei ist, kennt die anderen gut.
„Alle können kommen“, lachen sie, „Du auch!“ Und dann fragen sie frech: „Warum hast du dich überhaupt festgelegt?“ Sie sind alle ganz schön neugierig — und erfrischend offen, jedenfalls in der Gruppe. Obwohl sie grundverschieden sind. Zwischen 25 und knapp 60 Jahren alt sind die Gruppenmitglieder, darunter viel weniger Frauen als Männer. Aber sonst sind sie gut gemischt: verheiratet und solo, mit dem eigenen oder dem Gegengeschlecht liiert, Studentin oder Angestellter, leben sie in der festen Zweier- oder Dreier- Beziehung. Welche Liebe jemand gerade lebt, darauf kommt es nicht an. Aber: „Das Beutebild muß stimmen!“ Alle kommen in Frage - so lautet das bisexuelle Credo.
So selbstverständlich das klingt — für viele aus der Gruppe war die Erkenntnis von der Vorliebe für beide Geschlechter anfangs schwer. Georg zum Beispiel war richtig geschockt, als er merkte, daß er sich in seinen Kumpel verknallt hatte. „Bis heute weiß meine Frau nichts von meinen Gefühlen für Männer — und das ist besser so“, findet er.
„Das glaubst du!“ mischt Dieter sich ein. Er selbst hat seiner Frau von seinem Liebsten erzählt — und seitdem geht es in der Ehe besser. Aber sonst ist er diskret, die Nachbarn ahnen nichts: „Für die bin ich ein freundlicher Spießer. Schon wegen meiner drei Söhne würde ich denen nichts sagen.“
Coming-Out ist kein Gruppenziel. Aber es wird unterstützt, genauso, wie Verschwiegenheit akzeptiert wird: „Wir stützen uns gegenseitig — was die Einzelnen machen, ist ihre Sache! Wir leben eben alles!“ ede
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