piwik no script img

„Frühling beginnt im Kopf“

■ Woher kommen die Frühlingsgefühle? Jedenfalls gibt es kein Frühlingshormon

Die Tage werden länger, die Bäume schlagen aus, und alle Welt fühlt den Frühling im Blut. Denkste — „im peripheren Blut läßt sich der Frühling nicht nachweisen“, sagt Dr. Gerd Plewe vom Zentralkrankenhaus Bremen Nord. „Es gibt kein Frühlingshormon. Viel eher findet der Frühling im Kopf statt. Das ist wie beim Verliebtsein. Wahrscheinlich sind Neurotransmitter dafür verantwortlich.“ Aha.

Belustigtes und ratloses Kopfschütteln überall, wo wir nach den Ursachen des unbestreitbar steigenden Hormonpegels in diesen Tagen nachfragen. Die Fachbereiche Chemie und Biologie an der Uni Bremen müssen passen, auch im „Hormonlabor“ des St.Jürgen-Krankenhauses gibt es keine Gewißheit. Eine Erklärung für Frühlingsgefühle? Nie gehört.

Einzig Dr.Plewe weiß Rat. Neben dem Frühling im Kopf ändert sich sonst noch einiges im Körper. „Bei vermehrter Sonnenbestrahlung bildet sich im Körper das Vitamin D3, das für den Knochenstoffwechsel wichtig ist, denn es regelt die Aufnahme von Kalk und Kalzium in die Knochen. Blasse Menschen haben in unseren Breiten mehr D3 als dunkelhäutige und damit einen genetischen Vorteil. Wer nicht soviel D3 aufbauen kann, kriegt eher weiche Knochen, Rachitis.“

Allerdings gibt es kein Hormon, das pünktlich zum 21.März ausgeschüttet wird. Nur das kaum erforschte Hormon Melatonin wird verstärkt gebildet, wenn es länger Tag und damit länger hell ist. Melatonin wird von der Zirbeldrüse im Gehirn abegeben und beeinflußt unseren Bio-Rhythmus. „Wir können nicht beweisen, sondern nur vermuten, daß Melatonin etwas mit den Frühlingsgefühlen zu tun hat“.

„Auch die Menschen erwachen auf gewisse Weise aus dem Winterschlaf“, sagt Internist Plewe, „der Stoffwechsel wird im Frühjahr wieder aktiver, wir verbrennen den Zucker besser als im Winter. Diabetiker brauchen weniger Insulin.“

Die wirklichen Frühlingsgefühle entstehen aber im Kopf — und da ist die Forschung noch nicht weit. Beim Verliebtsein, der Lieblingsanalogie von Dr. Plewe, werden im Hirn die Hormone Adrenalin, Noradrenalin und körpereigene suchtstoffe, Endorphine, gebildet. „So ähnlich muß es auch mit den Frühlingsgefühlen ablaufen. Das müssen Neurotransmitter sein, Botenstoffe zwischen den Nervenzellen. Es ist sehr schwer, mit Neurotransmittern Gefühle auszudrücken.“ Bernhard Pötter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen