: Ende der Kunsthalle
■ Dieter Ruckhaberle soll ab April den „Künstlerhof“ in Buch leiten
Die Tage der Staatlichen Kunsthalle an der Budapester Straße sind gezählt. „Unter Würdigung ihrer Arbeit und der Kritik an der bisherigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben“ hat sich Kultursenator Ulrich Roloff-Momin von der Institution an der Budapester Straße verabschiedet. Wenn Ende März 1994 der Mietvertrag für die 2.700 qm großen Ausstellungsräume im sogenannten Bikini-Haus ausläuft, wird die Kunsthalle ausziehen. Und nicht nur das: Sie wird auch ihren bisherigen Status als Einrichtung des Landes Berlin verlieren und künftig „ohne ihre Unabhängigkeit einzubüßen“, so der Sprecher des Kultursenats, Klemke, der senatseigenen Kunst- und Kulturveranstaltungs GmbH im Podewil eingegliedert. Für Kunsthallendirektor Dieter Ruckhaberle wurde bereits ein neues Betätigungsfeld gefunden: Er soll ab 1.April 1993 die Leitung des Künstlerhofes in Berlin-Buch übernehmen.
Ein Grund für die Umstrukturierung liegt in der horrenden Mietforderung der Besitzerin des Bikini-Hauses, der Zentrum am Zoo AG: 65 Mark pro Quadratmeter, allein über zwei Millionen Mark im laufenden Jahr. Darüber hinaus war in den letzten Jahren zunehmend Kritik an der eigenwilligen Programmgestaltung der Institution laut geworden. Ursprünglich sollte sie international bedeutende Ausstellungen nach Berlin holen, sich daneben um die hiesige Szene kümmern und den beiden Kunstvereinen NBK und NGBK zweimal im Jahr Räumlichkeiten für deren Produktionen zur Verfügung stellen.
Heute, 17 Jahre und über 100 Ausstellungen später, meint Kultursenator Roloff-Momin, die Kunsthalle habe diese Aufgaben nur unzureichend erfüllt. Daher wird der Schwerpunkt der Arbeit der neugeschaffenen Abteilung Bildende Kunst des Podewil in Zukunft allein in der Forderung des „künstlerischen Nachwuchses“ liegen, Groß-Ausstellungen sollen im Martin-Gropius-Bau stattfinden.
Die Umwandlung von einer Landeskunsthalle in eine marktwirtschaftlich kompatible privatrechtliche Gesellschaft bringt einige maßgebliche Veränderungen mit sich. Budgets können flexibler und gewinnorientiert verplant werden, da man nicht mehr an das Kalenderjahr gebunden ist. Die neue Orgnisationsform hat aber auch arbeitsrechtliche Konsequenzen.
So muß beispielsweise bei Entlassungen nicht mehr die Zustimmung des Personalrats eingeholt werden. Für die jetzigen Mitarbeiter, die zwar sämtlich übernommen werden sollen, fällt bei einem Wechsel vom öffentlichen Dienst in die Privatwirtschaft die bisher vom Arbeitgeber getragene Zusatzrente VWL weg – unabhängig von der Dauer der Einzahlung. Zudem kann eine privatrechtliche Gesellschaft ihren Angestellten nach einem Jahr Schonfrist je nach Lust und Kassenstand kündigen.
Wer die Leitung der Ex-Kunsthalle übernehmen wird, steht noch in den Sternen. „Es ist durchaus denkbar, daß wir jemanden von außen nach Berlin holen“, so Klemke. Auf jeden Fall winkt dem- oder derjenigen statt eines pensionswirksamen Direktorenpostens mitsamt Professorentitel ein auf fünf Jahre befristeter Arbeitsvertrag. Der wichtigste Punkt bei der Neuorganisierung der Kunsthalle ist bislang völlig ungeklärt: der Standort. Für die Ausstellungstätigkeit – die Verplfichtungen reichen jetzt schon bis Ende 1994 – ist kein Ausweichquartier vorhanden. „Wir bemühen uns intensiv um eine Lösung und haben einige geeignete Orte im Blick“, heißt es dazu aus der Kulturverwaltung. Allerdings sei es zu früh, Einzelheiten zu nennen. Und: „Sie wissen ja selbst, wie die Mietensituation in der Stadt aussieht.“ Zweifel an einem nahtlosen Übergang sind also, allen Beteuerungen, daß man die Institution halten wolle, zum Trotz, durchaus angebracht. Ulrich Clewing
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