■ Feudale Landnahme: Abriß billig erkauft
Die Berliner Stadtplanung ist zum Bonner Abschuß freigegeben: Nach dem Kanzler, dem die Planungen zum Regierungsviertel nicht passen, und Klaus Kinkel, der am Wochenende sein Außenamt kurzerhand aus dem Gebäude der ehemaligen Reichsbank in die Ministergärten verlagerte, zeigt nun die Bundesbauministerin, was eine doppelte Harke für die Berliner Stadtentwicklung ist. Nach den Herren jetzt ich, wird sich Irmgard Schwaetzer gedacht haben und suchte sich Raum für das Mega-Ministerium des Außenministers. An die Ministergärten soll er nicht, in die Reichsbank will er nicht, in den Staatsrat darf er nicht! Der institutionelle Saurier paßt auf dem Stadtplan nur an die flackernde Stelle der Stadtmitte. Der Kinkel, verlautbart die oberste Beton-Fachfrau, soll ein neues Amt an Ort und Stelle des asbestverseuchten Palastes der Republik bekommen. Und welch ein Hintersinn: Der ungeliebte Palazzo muß abgerissen werden. Ein Neubau macht die Debatte um den Wiederaufbau des Stadtschlosses obsolet.
Im Fahrwasser des Auszugs von Bundespräsident Richard von Weizsäcker aus der Stadtmitte ins Schloß Bellevue aber reitet die Bundesbauministerin zur Attacke auf die Berliner Planungsinteressen und gegen sich selbst. Die Ministerien, so die Berliner Hauptstadt-Planung, sind in der Mitte der Stadt willkommen, ordnen sie sich in das Raster des Stadtgrundrisses und in die Typologie der Stadtstruktur ein. Bei einer megalomanen Ausprägung der Ministerien gerät diese Qualität der Einbindung ins Wanken.
Die Übersprungshandlung der Ministerin erinnert an feudal-demokratische Landnahmen wie die Grands Projects Mitterrands in Paris. Doch nicht nur die Größenordnung der Baumassen, die tödliche Stille verlassener Beamten-Apparate oder der Verlust der Urbanität sind das Eigentliche. Auf dem Spiel stehen der Planungsprozeß und die kommunale Planungshoheit insgesamt, die Schwaetzers Entscheidung hinfällig machen. Dafür ist der Abriß des Palazzos zu billig erkauft. Die Entscheidung per mitgeteiltem Handstreich gleicht einer politischen und planerischen Niedertracht, die den Ort als Spielwiese der eigenen Unzulänglichkeit mißbraucht. Rolf Lautenschläger
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