Standbild: Familienserie
■ "Das literarische Quartett", Donnerstag, ZDF, 22.15 Uhr
„Das literarische Quartett“, Donnerstag, ZDF, 22.15 Uhr
Der Inhalt eines jeden neuen Mediums, hat Marshall McLuhan einmal forsch behauptet, sei immer ein anderes, altes Medium. Diese Matroschka-Theorie der Medien muß sich an einer Sendung wie dem „Literarischen Quartett“ prüfen lassen, die nun schon seit fünf Jahren bei Freund und Feind die Frage aufwirft, wieviel Literatur das Fernsehen enthalten kann.
Das ZDF verkauft die Sendung – mit ziemlich indezenten Hinweisen auf die durch bloße Erwähnung steigenden Verkaufszahlen der Bücher – als einzigartige Alphabetisierungskampagne. Völlig anderer Meinung sind da die fröhlichen Apokalyptiker der Gutenberg-Galaxis, die sich keinen schlagenderen Beweis für das Ende des Buchzeitalters vorstellen können als diesen literarischen Stammtisch, dessen zentrale Spielregel bezeichnenderweise besagt, daß wörtliches Zitieren verboten ist.
So können allerdings nur televisionäre Analphabeten streiten. Wer mit den Hesselbachs, den Tetzlaffs, den Munsters, der Knorr-Familie und den Bundys aufgewachsen ist, weiß, daß das „Literarische Quartett“ eine äußerst notdürftig als Talk-Show getarnte Familienserie ist. Es macht in diesem Genre überhaupt nichts aus, daß die Szenerie und die Grundkonflikte immer die gleichen sind. Der Hauptspaß des Zuschauers, das bewies die Jubiläumssendung wieder einmal schlagend, besteht einfach darin, Zeuge zu sein, wenn die grantig-greise Vaterfigur (gegeben von Marcel Reich- Ranicki) erwartungsgemäß die juvenil-trotzige Tochter (Sigrid Löffler) in die Schranken weist oder die rituelle Aufmüpfigkeit des Sohns (Hellmuth Karasek) mit der Abgebrühtheit seiner Altersweisheiten pariert. Daß etwa der neue Marquez, der neue Roth, oder Susan Sontags Ausflug in den historischen Roman den Konfliktstoff für das Familiendrama abgeben, wird dann schlicht zur Nebensache.
Die jeweiligen Gäste der einzelnen Episoden konnten das starre Schema kaum je einmal erschüttern. In der fünfjährigen Geschichte der Serie fügten sich bisher fast alle der väterlichen Definitionsmacht unseres Lautesten. Helmut Koopmann, der Gast der Jubiläumssendung, erregte allerdings von vornherein den Verdacht, ein heimlicher Agent des Patriarchen zu sein. Wie anders, wenn nicht als dessen Bauchrednerpuppe, hätte er eine zähe Viertelstunde ununterbrochen über Marquez' Erzählkunst referieren dürfen? Am Ende aber verhedderte er sich in einem Paradox: man erkenne den Rang eines Schriftstellers besser an dem, was er vernichte, als an dem, was von ihm bleibt. – Den Schriftsteller wohl kaum, Professor Koopmann, den Kritiker allerdings! Jörg Lau
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