: Zeuge Pfeiffer demontiert sich selbst
Der ehemalige Medienreferent Uwe Barschels verwickelt sich im Prozeß gegen CDU-Mann Ahrendsen in eklatante Widersprüche/ Was wußte Gerhard Stoltenberg? ■ Aus Kiel Marco Carini
Ahrendsen-Anwalt Gerhard Goecke grinst über das ganze Gesicht: „Wer das hier miterlebt hat, weiß spätestens jetzt, daß man auf die Aussagen von Pfeiffer keinen Pfifferling geben kann.“ Von den Vorwürfen des ehemaligen CDU- Medienreferenten gegen seinen Mandanten bliebe schon vor dem Kreuzverhör der Ahrendsen-Advokaten „so gut wie nichts mehr übrig“. In der Tat: Der zweite Auftritt des Hauptbelastungszeugen Rainer Pfeiffer vor dem Kieler Landgericht geriet für die Staatsanwaltschaft, die das Verfahren gegen Ahrendsen angestrengt hat, zum Desaster.
Pfeiffer, der durch seine Aussage belegen soll, daß Herwig Ahrendsen aktiv an den Vorbereitungen einer Steueranzeige gegen Björn Engholm beteiligt war, verwickelte sich am zweiten Tag seiner Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter Schlimm in Widersprüche, die allein mit Gedächtnislücken nicht mehr zu erklären sind. Fügte er am Morgen des zweiten Verhandlungstages jeder Aussage zu den Vorgängen im Barschel-Umfeld die Vorrede „Ich glaube mich zu erinnern, daß...“ hinzu, konnte er sich gegen Mittag an überhaupt nichts mehr erinnern. Zwischenzeitlich hatte ihn Richter Schlimm mehrfach in Widersprüche zu seinen Aussagen verheddert, die er zwischen 1987 und 1989 vor der Staatsanwaltschaft und dem Barschel-Untersuchungsausschuß gemacht hatte.
Ein Beispiel: Vor der Kieler Staatsanwaltschaft hatte Pfeiffer im November 1988 den damaligen Finanzminister Gerhard Stoltenberg schwer belastet. Stoltenberg sei von Uwe Barschel im Januar 1987 telefonisch in seinem Beisein über die Steueranzeige gegen Engholm informiert worden, hatte Pfeiffer damals zu Protokoll gegeben. Am Donnerstag jedoch, teilte der Zeuge der Anklage dem Kieler Schwurgericht mit, er habe „nie einem Telefonat zwischen Barschel und Stoltenberg beigewohnt“. Auf diesen offensichtlichen Widerspruch angesprochen verweigerte Rainer Pfeiffer gestern die Aussage: „Ich will mich nicht selbst strafrechtlich belasten.“
Der schleswig-holsteinische FDP-Landesvorsitzende Wolfgang Kubicki, der an der Verhandlung teilnahm, nahm diesen Vorfall zum Anlaß, auf die „zeitliche Nähe“ zwischen der Stoltenberg schwer belastenden Aussage Pfeiffers und den Jansen-Zahlungen an den ehemaligen Medien-Referenten hinzuweisen. Kubicki: „Nach dem heutigen Auftritt Pfeiffers muß die Geschichte der Barschel- Affäre neu geschrieben“ werden: „Wer sich heute noch auf die Angaben Pfeiffers beruft, bewegt sich auf sehr dünnem Eis.“
Ausführlich schilderte Pfeiffer die Gespräche mit seinem Chef beim Besuch in dessen Haus in Mölln am 1. Mai 1987. Eines der Gesprächsthemen während des Besuchs sei der Wunsch Barschels gewesen, eine Entführung vorzutäuschen. Sie sollte nach Angaben Pfeiffers möglichst gut vorbereitet und anschließend von der Presse ausgeschlachtet werden. Pfeiffer sollte auf Anweisung Barschels Material aus der linken Szene besorgen, die dann für die Tat verantwortlich gemacht werden sollte. Barschel habe sich die Sache so vorgestellt, daß er am Ende an einen Baum gefesselt vom Joggern gefunden werde.
Der ob seiner widersprüchlichen Aussagen demontierte Zeuge ging mit einer Richterschelte in die Offensive. Er habe „das Gefühl“, so Pfeiffer zur taz, hier werde „ein Schauprozeß gegen ihn als an der Barschel-Affäre Beteiligten“ inszeniert. Diese „Erbsenzählerei in Nebenfragen“ des detailliert nachhakenden Richters sei „nicht geeignet“, den „Überblick zu gewinnen“, ob Herwig Ahrendsen gelogen hat, als er unter Eid aussagte, von der Steueranzeige gegen Engholm nichts gewußt zu haben.
Klar aber ist: sollte Ex-Regierungssprecher Ahrendsen wegen Meineids von der Kieler Strafkammer verurteilt werden, dann nicht wegen, sondern trotz der Aussagen des Hauptbelastungszeugen Rainer Pfeiffer.
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