piwik no script img

Kinkel setzt auf Jelzin

■ Voigt: Einseitige Parteinahme

Berlin (taz) – „Der Reformkurs exemplifiziert sich in der Person des derzeitigen Präsidenten.“ In mehreren Interviews hat Bundesaußenminister Kinkel gestern seine Auffassung bekräftigt, der Westen müsse Präsident Jelzin alle mögliche Unterstützung gewähren, da der Reformkurs eng mit seiner Person verknüpft sei. Unklar ist jedoch weiterhin, wie Hilfe aus dem Westen konkret aussehen könnte. „Die Unterstützung“, so Kinkel, „sieht zunächst mal – psychologisch – so aus, daß wir sagen: Wir unterstützen ihn.“

Über die psychologische Ebene hinaus tut sich Kinkel allerdings schwer. Die Bundesregierung unterstützt das Vorhaben, bereits im April ein Treffen der Finanz- und Außenminister der G-7-Staaten abzuhalten, um ein Hilfspaket noch vor dem G-7-Gipfel im Juli in Tokio auf den Weg zu bringen. Der russische Präsident, so Kinkel, hätte in den letzten Tagen „in einer Art Notruf um schnelle Unterstützung gebeten“.

Tatsächlich wird Jelzin auch jetzt noch, trotz aller verbaler Unterstützung, um jede Mark aus dem Westen zittern müssen. Die Bundesrepublik hat nach Kinkels Angaben über die Hälfte der bislang vom Westen geleisteten Hilfe für die GUS aufgebracht, deshalb möchte die Bundesregierung, „daß nun auch einmal die anderen stärker ran sollen“.

Für die SPD hat deren außenpolitischer Sprecher Karsten Voigt das Vorgehen der Bundesregierung scharf kritisiert. Voigt, der gerade aus Moskau zurückgekommen ist, hält die einseitige Parteinahme für Jelzin für ausgesprochen kontraproduktiv. „Leute, die aus innenpolitischen Gründen gegen Jelzin sind, werden so in eine antiwestliche Position gedrängt. Es steht dem Westen nicht zu, den Konflikt über ein parlamentarisches oder präsidentielles System in Rußland mitentscheiden zu wollen.“ Im übrigen geht Voigt davon aus, daß angesichts der enormen wirtschaftlichen Probleme in Rußland noch etliche Regierungen in den nächsten Jahren verschlissen werden: „In einer solchen Situation darf man Außenpolitik auf keinen Fall an eine bestimmte Person binden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen