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Düstere Zukunft für Bildungsinstitute

■ Sparmaßnahmen der Bundesregierung führen zu Kündigungswelle für Lehrer / Arbeitsamt bastelt an Prioritätenliste

/ Arbeitsamt bastelt an Prioritätenliste

Der Countdown läuft. Am 30. März wird in einer Sondersitzung im Hamburger Arbeitsamt entschieden, ob noch weiter Gelder für Fortbildung und Umschulung (FuU) bereitgestellt werden. Von dieser Entscheidung hängt das Schicksal von rund 10000 Menschen allein in Hamburg ab. Bleiben die Sparmaßnahmen - die Bundesanstalt für Arbeit stellt 25 Prozent weniger als im Vorjahr zur Verfügung - dann droht auch etwa 1500 LehrerInnen der Institute die Kündigung.

„Wir hatten bis Dezember 1992 ein geschlossenes, sinnvolles Bildungsangebot“, sagt Annet Scherer, Bildungsberaterin bei der FAA Gesellschaft für berufliche Bildung. Hier werden im gewerblich-technischen Bereich jährlich 1000 Menschen geschult und von 98 LehrerInnen ausgebildet. Doch in diesem jahr konnte die FAA noch keine neuen TeilnehmerInnen für die geplanten Lehrgänge annehmen, das Arbeitsamt übernahm keine Gebühren. „Unser Hauptgeschäft waren die qualifizierenden, abschlußbezogenen Lehrgänge und Einführungslehrgänge vor einer Umschulung“, so Annet Scherer. Die Einführungskurse werden nicht weiter laufen. „Die derzeitige Bildungspolitik geht auf Kosten der Qualität und zu Lasten derjenigen, die es schon immer getroffen hat - Langzeitarbeitslose und Ausländer“, so FAA- Beraterin Beate Ruch.

„Es besteht schon seit einiger Zeit ein faktischer FuU-Stopp. Durch die ständig neuen Anweisungen werden die Arbeitsberater so stark verunsichert, daß sie kaum noch bewilligen“, schildert Annet Scherer. Teilnehmer von laufenden Maßnahmen müssen nicht befürchten, daß die Umschulung platzt. Existiert eine Zusage des Arbeitsamtes, besteht ein Rechtsanspruch.

Die künftige Finanzierungspraxis des Arbeitsamtes wird auf einer knallharte Kosten-Nutzen-Rechnung basieren. Eine noch geheime Prioritäten-Liste für Umschulungslehrgänge wird dort zur Zeit aufgestellt. „Förderungspriorität haben nur Umschulungsmaßnahemen, die eine hohe Erfolgsquote aufweisen können“, so Arbeitsamts-Sprecher Manfred Klostermann.

Doch die Sparpolitik zeigt schon erste Folgen. „Es ist eine traurige Situation, für die Menschen, die sich auf eine Umschulung gefreut haben, und für die Mitarbeiter“, sagt Anneliese Seidling von der Rackow-Schule. In Hamburgs ältester kaufmännicher FuU-Einrichtung wird in diesem Halbjahr vorausichtlich nur ein Viertel der erwarteten 450 TeilnehmerInnen anfangen können, mindestens zwölf der 74 Mitarbeitern droht die Kündigung. „Die Mitarbeiter haben doch wegen der bundesweiten Kür-

1zungen kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt“, befürchtet Seidling. Ähnlich düster sieht man es auch in der Grone-Schule, mit rund 2400 KursteilnehmerInnen Hamburgs größtes Fortbildungsinstitut. „Es sieht schwarz aus. Der Arbeitsmarkt kann doch seinen Arbeits-

1kräftebedarf gar nicht aus der reinen Erstausbildung bestreiten“, meint Hans Bechtel von der Grone-Leitung.

Es kursieren jedoch noch weitere Sparvoschläge, wie die Kürzung der Lernmittel. Doch das auch diese Kleinbeträge die Betrof-

1fenen von einer Umschulung abhalten könnten, ahnt Annet Scherer: „Die Leute, die wir ausbilden, sind arm. Ein Arbeitsloser, der mit Familie von 1200 Unterhaltgeld lebt, kann sich das nicht leisten. Der springt doch gleich wieder ab. Katrin Wienefeld

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