piwik no script img

Sechs Millionen Dollar in den Wind geschissen Von Andrea Böhm

Wieder nichts mit unseren deutschen Jungs im Weltall. Für den Fehlstart soll angeblich irgendein Ventil verantwortlich sein. Doch aus gut informierten Kreisen war zu vernehmen, daß einer der Astronauten noch rechtzeitig schwere technische Mängel an der Bordtoilette entdeckt haben will. Wenn das stimmt, wäre das allerdings ein größerer Skandal: Das Weltallklo hat immerhin 30 Millionen Dollar gekostet.

Das Herumfliegen im Weltraum ist zugegebenermaßen nicht billig. Daß aber allein das Pinkeln in der Schwerelosigkeit so teuer sein soll, hat das Mißtrauen des „General Accounting Office“ (GAO) hervorgerufen, eine Art Researchbüro und Rechnungshof für den US-Kongreß. Die Toilette sei zu teuer, lautete das Fazit einer Studie, weil die NASA sich unter anderem auf unnötige und kostenintensive Änderungsvorschläge eingelassen habe.

Bei den ersten Männern im All reichten noch Urintüten aus, die auch im gefüllten Zustand bequem in den Raumanzug paßten. Festere Ausscheidungen wurden einfach dadurch verhindert, daß man die Astronauten drei Tage vor dem Start auf Diät setzte. Und wer vor dem Spaziergang auf dem Mond oder Freiflügen im All vor Aufregung Druck auf der Blase oder Mücken im Darm verspürte, der wußte sich gepolstert und gesichert: Durch die NASA-Weltall-Windel.

Inzwischen dauern Weltraumaufenthalte in der Regel so lange, daß weder Plastiktüten noch Windeln das Problem der menschlichen Verdauung lösen können. Draufsetzen, Knöpfchen drücken und spülen — dieser unter den Gesetzen der Schwerkraft so vertraute Vorgang funktioniert im Weltall nicht. Denn das Wasser samt darin herumschwimmenden Inhalts sieht ohne Gravitation überhaupt keine Veranlassung, nach unten abzufließen. Zuerst müssen Männer und Frauen jedoch erst einmal das Kunststück fertigbringen, sich im schwerelosen Zustand auf das Klo zu setzen und darauf sitzen zu bleiben. Zu diesem Zweck wurde das WCF mit Fuß- und Hüfthaltern versehen, mit deren Hilfe die BenutzerInnen eine halbwegs stabile Position einnehmen können.

Dafür, daß die unverdaulichen Überreste des Raumschiff-Fast- foods auch wirklich nach unten verschwinden, sorgen zwölf Hochdruck-Luftdüsen, die den ganzen Sch... absaugen. Nach Auskunft der Astronautin Bonnie Dunbar erzeugten die Düsen überdies eine Hundskälte. So kalt, „daß man sich wirklich fragt, was man da oben eigentlich verloren hat“. Luft ist im Weltall ein knappes Gut. Ergo wird die Luft der Klodüsen recycelt und wieder zurück in die Mannschaftskabine geblasen. Bislang soll das leidlich funktioniert haben.

Die Kostenexplosion entstand nun, weil die NASA meinte, unbedingt ein IWCF, ein „Improved Waste Collection System“, entwickeln zu müssen. Vollautomatisch! Da streikten die Astronauten, die offensichtlich mit gesundem Mißtrauen gegenüber der modernen Technik ausgestattet sind. Sie befürchteten technische Probleme sowie unnötige und unappetitliche Reparaturen. Die alte Handbedienung wiedereinzuführen, machte allein ein Fünftel der Entwicklungs- und Produktionskosten aus. Mit anderen Worten: sechs Millionen Dollar in den Wind geschissen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen