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Jelzins Gegner geben nicht auf

Obwohl das Verfassungsgericht kein Amtsenthebungsverfahren gegen den russischen Präsidenten empfiehlt, soll nun der Volksdeputiertenkongreß zusammentreten  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Im Streit um die Verfassungsmäßigkeit der Ankündigung des Präsidenten, er werde Rußland per Präsidialherrschaft direkt am Parlament vorbeiregieren, fällte das russische Verfassungsgericht gestern ein zurückhaltendes Urteil. Das dreizehnköpfige Organ kam nach einer Nachtsitzung mit zehn zu drei Stimmen zu dem Ergebnis, der Präsident habe in „fünf oder sechs Punkten“ gegen die Verfassung verstoßen. Andererseits gestand es ihm erstaunlicherweise in der Präambel zu, daß er sich dabei vom Interesse an der Stabilität des Landes leiten ließ. Anders als allgemein erwartet gab das Gericht dem Gesetzgeber keine Empfehlung, ein Impeachmentverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten. Indirekt willigte es sogar in das von Jelzin geplante Referendum ein, in dem der Präsident im April die Vertrauensfrage stellen will.

Das Urteil verfolgt keinen anderen Zweck, als den beteiligten „Beinahputschisten“ einen möglichst verlustarmen Rückzug zu ermöglichen. Noch am Wochenende hatte der Vorsitzende des Obersten Gerichts, Sorkin, das Verhalten des Präsidenten in Bausch und Bogen für verfassungswidrig erklärt. Zwei Tage später kämpft er schon um seine eigene Glaubwürdigkeit. Sorkin und seine Mannen hatten sich zu weit vorgewagt.

Denn in ihrem Voraburteil hielten sie buchstäblich nichts in der Hand. Jelzins Ansprache an das Volk war lediglich eine Absichtserklärung. Unterschrieben lag nichts vor. Auch keine Ukase, die konkrete Schritte anvisierten. Das Gericht sprach recht über etwas, was es eigentlich nicht gibt. Abgesehen von diesem Paradoxon ist das jetzt gefällte Urteil in jedem Sinne positiv für die Position Jelzins und seiner Regierung.

Einen lebhaften Beweis dafür lieferte der Auftritt des russischen Parlamentspräsidenten Ruslan Chasbulatow. Der Hauptagitator des Angriffs auf den Präsidenten forderte das Parlament auf, auch gegen den Spruch der Juristen das Impeachmentverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten. In einer hilflosen Aktion wollte er schon Vizepräsident Alexander Ruzkoi zum neuen Präsidenten küren: „Wenn es ein Impeachment gibt, dann übernimmt im Einklang mit der Verfassung der Vizepräsident die Amtsgeschäfte.“ Nachdem Sorkin die Troika mit Chasbulatow und Ruzkoi verlassen hat, klammert sich der taumelnde Parlamentsvorsitzende an den letzten vermeintlichen Verbündeten.

Aber auch für Ruzkoi werden die Zeiten rauher. Wollte Jelzin ursprünglich die Vertrauensfrage für sich selbst und den Vizepräsidenten stellen, gibt es mittlerweile Hinweise, daß Ruzkoi nicht weiter auf dem Präsidententicket mitfahren wird. Obwohl der Vizepräsident seinen anfänglichen Angriff gegen Jelzin abgeschwächt hat, hört er nicht auf zu stänkern.

Im Gegensatz zum Opportunismus eines Sorkins läßt sich der ehemalige Afghanistankämpfer dabei von seinem Ehrempfinden leiten. Wenn er sich einmal für eine Seite entschieden hat, muß er bei der Stange bleiben.

10.000 andere Soldaten kamen gestern um die Abreise nach Nordossetien herum. Innenminister General Viktor Jerin ordnete an, daß die Division „Dserschinski“ zur „Vorbeugung gegen jede größere Unruhe“ vorläufig in Moskau bleiben soll. Die Division ist ein Truppenverband, der zu Zeiten der UdSSR dem Geheimdienst KGB unterstand. Die Truppen sind auf die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung spezialisiert. Wie die Elitesoldaten vorgehen, wurde zuletzt am 13. Januar 1991 bei dem Angriff auf das Rundfunkgebäude in der litauischen Hauptstadt Vilnius deutlich. Dabei wurden vierzehn Menschen getötet. Die Anordnung von Innenminister Viktor Jerin, die geplante Stationierung der Division in der nordossetischen Stadt Wladikawkas abzusagen, überrascht westliche Militärspezialisten angesichts der derzeitigen Situation nicht. „Es ist normal, daß die für die Sicherheit Verantwortlichen nicht das Risiko auf sich nehmen wollen, ihren Truppenbestand zu reduzieren.“

Mit einem weiteren rigorosen Schritt unterstellte Jelzin gestern die Massenmedien seiner persönlichen Obhut. Eine präventive Maßnahme, die im Augenblick nicht mehr als eine demonstrative Geste ist. Eigentlich wollte sich der Oberste Sowjet mit einem Gesetzentwurf befassen, der vorsah, die Massenmedien unter die Kontrolle des Parlamentes zu stellen. Schon im letzten Herbst hatte Chasbulatow versucht, die Zeitung Iswestija zum Hausblatt der Legislative zu machen. Damals sandte er einfach ein paar bewaffnete Schutztruppen des Parlamentes in das Redaktionsgebäude. Wäre es dem Parlament gelungen, die Massenmedien unter seine Knute zu pressen, hätte dies das Ende der Pressefreiheit bedeutet. Jelzin kann sich über Unterstützung bei den Medien nicht beklagen. Im Unterschied zur Opposition hat er die wichtigsten Medien ohnehin auf seiner Seite. Vom Fernsehen über die renommierte Iswestija bis hin zu Moskaus Boulevardpresse.

Die Opposition muß sich dagegen mit den alten Hetzblättern zufriedengeben. Unter ihnen die Prawda, Sowjetskaja Rossija und das bluttriefende Revanchistenblatt des russischen Schriftstellerverbandes, Denj. Früher konnte sich deren Auflage mal sehen lassen. Heute sind sie eher schwach auf der Brust.

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