: Abwärts
■ Herzlich Willkommen im Irrenhaus
ABWÄRTS
Herzlich Willkommen im Irrenhaus
Der Gitarrist und Sänger Frank Ziegert bleibt auch auf dem jüngsten Album seiner Band den Ziegertschen Lieblingsthemen treu: Politik als Ränkespiel. Alltag als fatal beschleunigte Handlungssplitter aus Comics. Kultur als der Ort, wo der schuldlos zum Zyniker gewordene Mensch mit der Stimmung des einzigen Überlebenden und der Kraft des Gerechten berichtet. Herzlich Willkommen im Irrenhaus verfolgt aber keine Intentionen, wie sie zum Beispiel bei Hard Core-Bands an erster Stelle stehen. Ziegert hat vielmehr Texte aus einer Perspektive geschrieben, die der von Rock-Musikern von vor 16 Jahren an der Schnittstelle zu Punk gleicht. Statt eines Gesellschaftsbezuges schwebt ihm ein grundlegender kausaler Zusammenhang zwischen allgemeiner Bedrohung und einer Zerstörung des Individuellen am Individuum vor. Übrig bleibt ein Sänger als „Fehlkonstruktion“, der sich in der „Betonvorstadt“ dem schlimmen Finger „Moritz Heroin“ ausgesetzt sieht. Unter der „Fehlkonstruktion“ lauert der alte anarcho-syndikalistische Traum, mittels „Sabotage“ wenigstens die Waffen des Feindes unbrauchbar zu machen, wenn schon nicht die eigenen Armeen zum Sieg marschieren. Die „Betonvorstadt“ mag hier für den Osten stehen, „Moritz Heroin“ für Hamburg und den Westen. Die Lektion aus der Wiedervereinigung lautet so gesehen schlicht: Die Probleme, die die erwähnten Rocker mit sich schleppen, ziehen grenzübergreifend Konsequenzen nach sich, schließlich kann ein St. Paulianer von beiden Deutschlands ein Lied singen. Herzlich Willkommen im Irrenhaus verdeutlicht aber auch ein paar Voraussetzungen für Rock in den 70er Jahren. Dazu gehört der Zwang, seinen Argumenten repräsentativen Charakter unterzuschieben, das heißt zwar als nur eine, aber dafür sehr laute „Stimme der Unterdrückten“ aufzutreten. Dazu gehört außerdem die Beobachtung, daß es mit der Politik nicht richtig läuft, wenn jemand nicht gesund ist. Die Entdeckung des Körpers, der durch „die Flasche“ oder „Heroin“ Schaden nimmt, genügt Frank Ziegert als Beleg, falls die schlechte Welt mal wieder ohne ihn verhandelt werden soll. Kristof Schreuf
Harvest/EMI
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen