Der Elefant in der Heide

■ Ungeschickte Enten und gedeckter Apfelkuchen locken am Wegesrand der Radroute nach Storkow und Kolberg / Der Weg selbst ist eher holprig

Wenn man als Radreisender auf dem erbarmungslosen Kopfsteinpflaster durch die vielen kleinen Brandenburger Nester scheppert, dann sind die Blicke aller Einheimischen, die gerade im Garten arbeiten oder sich auf der Straße unterhalten, mißtrauisch auf den Eindringling gerichtet. Schweigend sehen sie uns nach und wenden ihre Augen erst wieder ab, wenn wir das Dorf hinter uns haben. Fragt man sie nach dem Weg, tauen sie überraschend schnell auf und sprudeln über vor Informationen.

Wir starten unsere Tagestour mit Butterbroten und Thermoskanne am S-Bahnhof Königs Wusterhausen. Es stellt sich recht bald heraus, daß wir mit der Route von hier aus nach Storkow und zurück einen guten Griff getan haben, denn die Landschaft um die Dahme ist mit der Vielfalt an Seen, Waldstücken und kleinen Dörfchen sehr viel interessanter als der Großteil der Mark Brandenburg. Die ganze Gegend ist ziemlich fahrradfreundlich — es gibt wenig Verkehr und überhaupt keine Steigungen —, doch sind die Straßen besonders in den Ortschaften katastrophal gepflastert und für dünnbereifte Rennräder nicht zu empfehlen. Dagegen sind die Feld- und Waldwege eine angenehme Alternative zu den Straßen, obwohl man oft im gnadenlosen märkischen Zuckersand einsinkt.

Abseits der Asphaltwege ist man dazu noch näher an der Natur. Wie in der Senziger Heide zum Beispiel, wenige Kilometer östlich von Königs Wusterhausen, aber anscheinend völlig abgeschieden vom Rest der Welt. Unter den Reihen von aufgeforsteten Kiefern breitet sich ein Moosteppich aus, der wie ein Wasserbett federt; zur Pause eine willkommene Abwechslung vom harten Fahrradsattel. Gestört wird diese Szenerie nur durch die eine oder andere Trabi- Karosse, die verrostet und ausgeplündert am Wegesrand liegt.

Neben einem Gehöft kurz vor Gussow steht ein Elefant und stopft gelassen Heu in sich hinein; wir hatten eher Pferde und Kühe erwartet. Dahinter ist eine triste Wagenburg mit der bemüht fröhlichen Aufschrift „Circus Royal“ aufgebaut. Entlang der Dahme kommen wir nach Prieros, das sich von den anderen Dörfern vor allem durch die schicke Dorfkirche und den gedeckten Apfelkuchen der Bäckerei in der Hauptstraße abhebt.

Ursprünglich wollten wir die Strecke nach Storkow auf der Bundesstraße zurücklegen, aber die ist entschieden zu voll für unseren Geschmack. Wir trauen uns auf den schmalen Alleen kaum, einem Schlagloch auszuweichen, denn jeden Moment rauschen die Motorisierten hart an der Höchstgeschwindigkeitsgrenze an uns vorbei. Und den Lenker stillzuhalten, wenn einen der Luftstoß eines entgegenkommenden Brummis trifft, ist keine Kleinigkeit.

Dem Storch verdankt nicht nur die Kleinstadt Storkow ihren Namen, sondern auch sämtliche Restaurants – sofern sie nicht schon „Theodor Fontane“ heißen. Wir entdecken zwar keinen einzigen Storch [Ruhe bewahren! Die kommen später im Jahr! d. säzzer], dafür aber eine Unmenge hungriger Enten am idyllischen Storkower See, an dem wir unsere Pause einlegen. Einen Zugang zum Wasser findet man freilich nur mit viel Geduld und Pfadfindergeist. Wie bei den meisten Brandenburger Seen sind auch hier die Ufer vollgepackt mit Ferienhäusern, deren Besitzer ihr Eigentum mit Zäunen und Warntafeln abschotten. Die Sonne scheint uns bei der Mittagspause frühlingswarm auf den Rücken, aber auf der Wasseroberfläche liegt noch eine hauchdünne Eisschicht, die den ungeschickteren Enten einige Peinlichkeiten bereitet, wenn sie bei der Landung einbrechen.

Die Storkower Burgruine ist in unserer Karte als „beachtenswertes Objekt“ eingestuft, aber in natura nicht gar so spektakulär. Für den Laien sieht sie nicht besonders nach Burg aus — was sie zur Ruine macht, sind die eingeschlagenen Fenster und der von den Wänden bröckelnde Putz, der nur an manchen Stellen von Efeu verdeckt ist. Wir schieben unsere Räder in den verlassenen Burghof, dessen Betreten am Torbogen untersagt wird. Kein Brunnen, kein Verlies – aber immerhin eine Kaninchenkolonie im offenen Schuppen.

Wir verlassen die Stadt der Störche auf einer traumhaften Allee in Richtung Kolberg. Der Asphalt ist phantastisch glatt, und außer uns gibt es kaum Verkehr. Links hebt sich eine schwarze Katze vom gelben Feld ab, rechts kämpfen Krähen um einen toten Hasen, und irgendwo klopft ein Specht – die ländliche Idylle ist perfekt.

Der Kolberg ragt ein wenig verloren aus der so ebenen Landschaft. An seinem Fuß, nahe dem Wolziger See, liegt das gleichnamige Dörfchen. Die schöne Lage Kolbergs hat sich schnell unter den Wessis herumgesprochen; die Parkplätze der Restaurants und Hotels sind mit Autos der oberen Preisklasse mit Berliner Kennzeichen gefüllt, in denen benerzte Eigentümer sitzen.

Über die Dörfer Kablow und Zernsdorf, mit dem Krüpelsee zur Rechten und den Eisenbahngleisen zur Linken radeln wir zurück nach Königs Wusterhausen. Dieses letzte Wegstück der Siebzig-Kilometer-Tour ist wieder einmal eine Tortur. Obwohl wir Schritttempo fahren, vibriert mein Körper noch auf den Polstersitzen der S-Bahn Richtung Berlin. Robert Löhr