: Abschied von einem Provisorium
■ Parlament tagte zum letzten Mal im Schöneberger Rathaus
Berlin. In Berlin geht nach 44 Jahren ein Provisorium zu Ende: Zum letzten Mal hat gestern das Abgeordnetenhaus im Schöneberger Rathaus getagt. Am 28. April wird das Landesparlament erstmals im wieder aufgebauten, ehemaligen Preußischen Landtag in Mitte zusammentreten. [Hoffentlich funktioniert die Mikrophonanlage! d. säzzer] Parlamentspräsidentin Laurien (CDU) würdigte zu Beginn der letzten Sitzung das Schöneberger Rathaus als ein „politisches Fanal, ein Fanal für Freiheit und Recht“. Der Abschied sei eine „historische Stunde“.
Im September 1948 wurde die damals noch für ganz Berlin gewählte Stadtverordnetenversammlung mit Überfällen kommunistischer Rollkommandos aus dem Neuen Stadthaus im Bezirk Mitte vertrieben. Zunächst tagte man im Studentenhaus in Charlottenburg. Als am 1. Dezember 1948 mit der Einrichtung eines eigenen Ost-Magistrats die Spaltung der Stadt vollzogen wurde, suchte das West-Parlament ein „dauerhaftes Provisorium“ und fand dies im Schöneberger Rathaus, das eigentlich Sitz der Bezirksregierung von Schöneberg ist.
Am 5. Dezember 1948 wählten die Westberliner ihre Stadtverordnetenversammlung, die sich ab 1951 Abgeordnetenhaus nannte. Am 14. Januar 1949 fand die konstituierende Sitzung im Bürgersaal des Schöneberger Rathauses statt. Der von Oberbürgermeister Ernst Reuter geführte Magistrat wurde in seinem Amt bestätigt. Der Magistrat zog erst fünf Monate später ins Rathaus ein. Vier Jahrzehnte lang galt das Schöneberger Rathaus als Symbol für den Willen nach Wiedervereinigung der Stadt. Zahlreiche Staatsgäste präsentierten sich vom Balkon des Rathauses den Berlinern, die sich auf dem nach dem ersten Schöneberger Bürgermeister Rudolf Wilde benannten Platz versammelten. Weltgeschichte machte der amerikanische Präsident Kennedy mit seinen Worten „Üch bin eun Börliner“. Nach Kennedys Ermordung 1963 wurde der Platz vor dem Rathaus nach ihm benannt.
Im Oktober 1991 haben bereits der Regierende Bürgermeister und sein Senat das Provisorium Schöneberger Rathaus verlassen und waren ins Rote Rathaus hinter dem Alexanderplatz umgezogen, wo einst der rote Ost-Magistrat regiert hatte. AP
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