piwik no script img

Aus für den klobigen Naturburschen

■ Zwölf Tage nach den erfolgreichen Play-Offs entließ der Eishockey-Bundesligist Mannheimer ERC Trainer Jiři Kochta

Letzten Samstag hatten sie auf dem Mannheimer Marktplatz noch bierselig gefeiert, Präsidium, Trainer, Spieler und Fans des Mannheimer ERC. Vier Tage später verkündete Vorsitzender Jochen Engel, was viele während der Saison erwartet hatten. „Herr Kochta ist zu weich und zu leise und hat sich in der zurückliegenden Saison zu häufig schützend vor die Mannschaft gestellt“, begründete er die Entlassung des 46 Jahre alten Tschechen, die auch unter den Stammzuschauern Befürworter findet. Die von Kochta nicht unterbundene phlegmatische Spielweise der Oldies trieb so manchem von ihnen die Zornesröte ins Antlitz und hatte verbale Ausfälle („Schmeißt den Tschechen raus“) zur Folge, vor allem bei den desolaten Vorstellungen kurz vor den Play-Offs. Wer Jiři Kochta kennt, wunderte sich allerdings schon lange, daß dieser Mann mit der auffälligen Physiognomie eines ausgemergelten Bergarbeiters es überhaupt anderthalb Jahre in diesem Möchtegern-Schicki-Micki- Club ausgehalten hat.

Wer all die vielen VIPs in ihren gräßlichen Pelzmänteln, mit den Goldkettchen um Hals und Arme und den exklusiven Sektkelchen in den Händen näher betrachtete, registrierte manches Naserümpfen über den biertrinkenden, klobigen Naturburschen aus dem Böhmerwald. Lars-Göran Wallin und Olle Oest, Kochtas glücklose Vorgänger aus Schweden, flirteten schon mal mit den geltungssüchtigen Luxusweibchen und bevorzugten Sekt statt Gerstensaft. Doch Jiři Kochta hatte Erfolg, führte ein überaltertes Team zweimal ins Halbfinale und bewahrte den Club, der letztes Jahr noch um die Lizenz bangte, vor einem finanziellen Desaster. Aber er paßte nicht zu dem „gesellschaftlichen Ereignis MERC“ (Pressesprecher Lutz Pauels). Seine Entlassung versteht der Tscheche trotzdem nicht, die Gründe sind ihm nicht plausibel. „Ich bin keiner, der mit den Fäusten auf den Tisch hauen muß, ich weiß auch so, wie man mit Eishockeyspielern umgeht.“ Der MERC will in Zukunft auf einen „harten Hund“ Marke Hans Zach setzen, einen, „dem niemand reinreden darf“ (Engel). Und Neu-Manager Marcus Kuhl, der an der Entlassung des Trainers mitgedreht hat und ihn jetzt öffentlich kritisiert („Wir müssen weiter junge Spieler einbauen und ihnen garantieren, daß sie auch spielen.“), wird an der Seite des „Neuen“ über dessen Qualitäten wachen dürfen. Bis auch der zum Abschuß ansteht. Günter Rohrbacher-List

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen